Wurm

Wurm? Später! Zunächst die schönen Seiten unseres 14tägigen Daseins an Bord. Wir segeln – was in der ersten Hälfte dieser Saison ja nicht sooo häufig der Fall war. Und nach langer Zeit der Abstinenz landen wir mal wieder in Lemmer. Relativ spät, nämlich abends gegen sieben, gehen wir an eine Motoryacht ins Päckchen. Wir sind nicht wegen Lemmer hier (in der Höchstsaison zu voll, zu laut, zu trubelig), sondern wegen der Segelstrecke nach hier hin. Sie ist von Stavoren aus mit 22 Seemeilen eine der längsten auf dem IJsselmeer. Und wenn einem dann unterwegs auch immer mal wieder der Wind wegbleibt, dann wird es halt ein bisschen später. Die Motoryacht-Crew guckt ein bisschen enttäuscht. Die beiden hatten sich wohl Hoffnung gemacht, für die Nacht allein zu bleiben. Aber letztendlich sind sie sehr freundlich und öffnen für uns ihre seitlichen Relingspforten, was uns den Überstieg erleichtert. Wir vermeiden es aber so gut es geht, über deren Vorschiff an Land zu turnen. Nur der Weg zum Bezahlautomaten (mit 14,- € überraschend preiswert) ist unvermeidlich.

Rüm Hart im Päckchen in der Abendsonne von Lemmer

Viel ruhiger hingegen ist es im Buyshaven von und zu Enkhuizen oder – noch besser – vor der Schleuse von Workum, wo selbst die Braune Flotte mit den Schulklassen an Bord sich die Zeigefinger auf die Lippen zu legen scheinen – psssst! Ein stilles Örtchen .

Wer findet Rüm Hart vor der Schleuse von Workum?

Zwischen 2 Segelwochen ein Zwischenstop im Heimathafen, weil Auke kommt. Auke ist ein niederländischer Freund und eigentlich ein Liegeplatznachbar im Hafen. Eigentlich, weil er mit seiner kleinen Saffier 32 (etwas kleiner als Rüm Hart) derzeit auf Karibik Törn ist. Er hat das Schiffchen einhand in die Karibik gesegelt und dabei allerlei Abenteuer, Pannen und Unwägbarkeiten bewältigen müssen. Beispiel: Drei (3!) Wochen lang – auf dem Weg zu Devils Island – musste er von Hand Ruder gehen, weil ihm die Windsteueranlage aus- und teilweise abgefallen war. Nachts von 22 bis 4 Uhr morgens hat er mit reduzierter Segelfläche beigedreht und geschlafen, um dann wieder bis abends um 10 am Ruder zu hocken. Zum Schluss todmüde und kaum noch leistungsfähig. Davon und von noch Vielem mehr erzählt er mit überschäumender Lust und hat null Problem damit, in einem Satz 3 Sprachen – Niederländisch, Englisch und Deutsch – unterzubringen. Ich kenne nur wenige Menschen, die so eine Positivität und eine Lust am Leben ausstrahlen und Stolpersteine nutzen, um sich zwecks besseren Überblicks draufzustellen. Seine Lache füllt Säle. Derzeit ist da unten Hurrikansaison, sein Boot steht sicher in einer Halle, und er selbst ist auf Heimaturlaub bei seiner Familie.

Auke (vorn rechts), unser Karibik-Abenteurer mit Andreas (und mir) beim Bier in unserer Hafenkneipe

Warns ist uns nicht nur Heimathafen fürs Boot geworden, sondern im Laufe der nun 12 Jahre auch ein wichtiger „soziologischer Hafen“. Die Freundschaften, die hier entstanden sind, der Tratsch über die Reling mit dem Nachbarn oder der Schnack beim Bier im Hafenrestaurant sind uns wichtig geworden und fester Teil unseres „nautischen“ Daseins.

Das Damenfoto, Sigrid und Alex, und …
… das gegenübersitzende Jungs-Pendant, viel Spaß mit Wolli

In die Kategorie „Freundschaften“ gehört ab sofort die Mala-Crew. Deren Skipper Stephan ist einer meiner Mod-Kollegen im Segeln-Forum (mit rund 40.000 Mitgliedern das größte in Deutschland und zumindest eines der größten in Europa, aber natürlich längst nicht alle aktiv – man kennt das ja …). Und so kannten wir uns bislang nur online, digital. Das hat sich nun geändert, denn die Mala besucht uns im Stormvogel zu Warns, und wir verbringen einige interessante, lustige und lebhafte Stunden. Tolles Schiff (eine sehr seltene Atlantic 36), sehr nette Menschen und außerdem ausgewiesene Watt-Experten. Hallo Stephan, Gesche und Mia (der lustige Bordhund), immer wieder gern bei uns in Warns, aber vielleicht schaffen Sigrid und ich ja in dieser Saison auch noch den Gegenbesuch in Harlingen.

Die Mala kommt zu Besuch

Wir durchpflügen in diesen Tagen das IJsselmeer in alle möglichen Richtungen und haben den großen Windpark im Norden vor Makkum mit fast 90 „Windmühlen“ immer im Auge, kommen ihm auf einem langen Kreuzschlag sogar sehr nahe. Aber zu unserem Erstaunen müssen wir feststellen, das sich da nix dreht. Der Park scheint komplett abgeschaltet zu sein. Über eine Woche lang sehen wir nur sehr wenige, einzelne Flügelräder, vielleicht 5 oder 6, in träger Rotation. Trotz teilweise idealem Segelwind, der ja sicher auch für die Stromerzeugung gut geeignet wäre.

Alle Räder stehen still, wenn … Welcher starke Arm hier einen kompletten Windpark abgeschaltet hat, bleibt uns ein Rätsel. Man braucht den Strom offenbar derzeit nicht

Aber auch das ist nicht der „Wurm“ aus der Überschrift. Der besteht eher darin, dass uns das IJsselmeer ausgeht. Heißt: nicht mehr die Spannung und den Segelspaß früherer Jahre bietet. Die Widrigkeiten häufen sich, und die Überfüllung in der Hochsaison trägt sicher viel dazu bei. Aber dann sind da noch die anderen Dinge: die meteorologische Entwicklung mit irre stabilen Wetterlagen, was dann z. B. auch wochenlange Intensivsonne und tagelange Flauten mit sich bringt. Oder die Tatsache, dass das südliche Markermeer sommers total verkrautet (zumindest an der interessanten Westküste) und somit als Ausweiche kaum noch infrage kommt. Und natürlich auch eine gewisse Abnutzung bei uns selbst. Ich kenne die Standardkurse nach all den Jahrzehnten mittlerweile auswendig, na klar. Auch die Preise sind mittlerweile zum Teil gesalzen (Beispiel: Medemblik außen im Päckchen ohne Strom fast 27 Euro). Die IJsselmeerfliegen, die typischerweise zu Tausenden zum Sterben an Bord kommen und hinterher als bräunlicher Schleim abgespült werden müssen, spielen da nur noch eine Nebenrolle.

Mittagspause an einem Marekritplatz in Friesland (Insel Langehoekspolle)

Wir beschließen, dass es eine Änderung geben muss. Wir werden wieder mehr das Watt nutzen, rund ums IJsselmeer die Ankerplätze suchen und in Friesland die friedlichen Marekritplätze, an denen man zwar keinen Strom, aber viel Natur und noch mehr Ruhe hat – meistens jedenfalls. Wir wollen wieder raus in die Nordsee. Und wir überlegen, was wir überhaupt und sowieso im nächsten Jahr anstellen werden …

Schließlich haben wir ein Schiff mit Potenzial, das mehr kann als wir / als ich. Das hat es ja 2015 schon mal unter Beweis gestellt, als wir beide – Schiff und ich, also einhand – in einem 6monatigen Törn von Papenburg bis nach Turku in Finnland und zurück gesegelt waren. Dabei war Rüm Hart mir immer Zufluchtsinsel und Trutzburg. Ein unvergessliches Erlebnis.

Jetzt aber wird erstmal Sohn Ole das Boot für dreieinhalb oder vier Wochen übernehmen, und im September bin ich wieder allein an Bord, bevor dann im Oktober nochmal gemeinsam mit Sigrid intensiv in den Saisonabschluss hinein gesegelt wird. Natürlich nicht ohne Hafenfete mit den Freunden – siehe oben.

Zum Schluss das Foto links. Meiner Bordfotografin hatten es die Riggs der Plattboden und der Braunen Flotte angetan, und ich finde, dass die grafische Wirkung in schwarz-weiß am besten rüberkommt.

Oder?

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