… Da stelle wa uns ma janz domm …
Kommt einem bekannt vor, nicht wahr? Völlig unbekannt dagegen könnte dem der christlichen Seefahrt nicht ganz so enthusiastisch verbundene Leser der Begriff ‚Bugstrahlruder‘ vorkommen. Ok, Bug ist vorne und Ruder hat was mit Steuern zu tun. Aber Strahl? Wasserstrahl???
Volltreffer! Es geht tatsächlich ums Steuern, denn mit Hilfe eines im Bugstrahlruder erzeugten Wasserstrahls kann der Bug des Schiffes nach links oder rechts versetzt werden. Das kann sehr hilfreich sein beim Anlegen, vor allem beim Anlegen mit Seitenwind, der das Schiff ausgerechnet dahin drückt, wohin der Skipper nun partout nicht will. So manches Hafenmanöver ist – natürlich coram publico – wegen widriger Windverhältnisse oder handwerklicher Mängel des Ausführenden (oder beidem) in die Hose gegangen. Regelmäßig kommt es dabei in Sportboothäfen zu herrlichen, unterhaltsamen Einlagen der ein- oder auslaufenden Crews auf ihren schwimmenden Behausungen. Um sich diese geschmeidigen Vorführungen der nachfolgenden nicht entgehen zu lassen, zieht es so manche Besatzung eines Segelschiffes bereits ab drei Uhr nachmittags in den nächstgelegenen Hafen. Erstens kann man sein eigenes Anlegemanöver noch ziemlich diskret zelebrieren. Und zweitens sitzt man hinterher mit ’nem Anlegebier in der Hand im Cockpit und schaut den anderen genüsslich bei ihren Chaosmanövern zu. ‚Hafenkino‘ ist der dafür gängige Begriff unter Seglern. Und Hafenkino gewinnt besonders dann an Unterhaltungswert, wenn mißlungene Leinenmanövern prompt von schlagartigen Störungen der Bordatmosphäre begleitet werden. Was sich widerum zuverlässig in Veränderung der sprachlichen Gewohnheiten, in Wortwahl und Lautstärke ausdrückt. Warum Friedensforscher immer nur die Weltpolitik im Auge haben, ist mir ein Rätsel. Sie bräuchten sich nur mal ein Wochenende während der Hauptsaison in Enkhuizen auf den Steg oder in Lemmer auf die Schleusenmauer zu setzen.
Das wissen natürlich alle Segler und laufen dabei ein bisschen rot an, weil sie alle schon mal … nun ja … Auf jeden Fall sinnt man auf Abhilfe. Und die kann natürlich nur, dem Zeitgeist entsprechend, durch technische Aufrüstung des bescheidenen Schiffchens gewährleistet werden. Also muss ein Bugstrahlruder her. Knöpfchendruck – und zack liegt der Dampfer genau dort an der Pier, wo der Skipper ihn hin haben wollte. Genial! Aber es geht noch besser: die neueste Entwicklung schreibt dem modernen Schiffseigner sogar ein zusätzliches HECKstrahlruder vor. In den aktuellen Werbefilmszenarien der Hersteller steht der Sportboot-Kapitän (mit technischer Aufrüstung geht auch immer eine begriffliche Aufwertung des wichtigen Amtes einher …), steht also der Sportboot-Kapitän mit der Fernbedienung (!) an der Steuerbordseite seines Dampfers und legt ihn Millimetergenau an seinen Platz. An dieser Stelle hat die Zubehörindustrie allerdings noch nicht zu Ende gedacht, denn es fehlen dringend noch automatisch ausfahrbare Greifarme, die die Festmacherleinen in einem finalen Akt über die Poller legen. Für diese Idee sollte mir ein angemessenes Honorar zustehen.
Wie aber funktioniert so ein Bugstrahlruder? Eigentlich ist es nichts anderes als ein Loch quer durch den Rumpf und zwar im Bug und – sehr wichtig – im Unterwasserbereich des Rumpfes. In diesen Tunnel ist ein Propeller eingebaut, der sowohl linksrum als auch rechtsrum laufen kann. Dadurch wird ein Wasserstrahl erzeugt, der quer durch den Bug des Schiffes den Rumpf mal nach links mal nach rechts drückt. Jeder große Containerfrachter ist mit mindestens zwei dieser Bugquirle ausgestattet, oft sogar drei. Die übrigens über der Wasserlinie mit einem durchkreuztem Kreis auf dem Rumpf gekennzeichnet sind. Daher weiß der Betrachter wie viele Bugschrauben der Frachter hat und wo die genau sitzen, denn bei der heutigen Qualität der Hafengewässer sieht man die ja nicht.
Die eingefügten Fotos zeigen mal ein paar Beispiele aus der Berufsschifffahrt und im Vergleich dazu das geradezu niedliche Bugstrahlruderchen einer Sirius 310 DS. Kostet trotzdem über 5 Mille Aufpreis! Sollen wir uns das wirklich antun? Für ein keine zehn Meter langes Schiffchen?