… in ihren fliegenden Kisten. Wem das noch was sagt, der ist wahrscheinlich genauso alt wie ich. Doppelt so alt kam ich mir vor, als wir in Southampton aus der fliegenden Kiste kletterten, die uns überraschenderweise sicher über den Kanal getragen hatte. Es ist immer wieder bewundernswert, mit welcher Eleganz, Körperbeherrschung und Leidensfähigkeit ich es schaffe, meine Einseinundneunzig samt mehr oder weniger auskurierter Bandscheibenvorfälle und den dazugehörigen Kilos in einen Flugzeugsitz zu falten. Um dann auch noch für die nächsten anderthalb Stunden bewegungslos, in einer Winterschlaf ähnlichen Schockstarre, zu verharren. Aber wir wollen nicht übers Fliegen reden, sondern übers Segeln. Außerdem war’s ein Billigflug.
Die Erkenntnisse aus Southampton waren – nun ja – heilsam. Und ernüchternd. Aber auch betörend. Der Reihe nach:
Die Southerlys waren in einem wesentlichen Punkt eine große Enttäuschung: Stehhöhe. Auf der 32 ist es nicht möglich, im Salon zu stehen, ohne eine orthopädisch fragwürdige Haltung einnehmen zu müssen. Selbst auf den nächstgrößeren Schiffen, der 35 bzw. der 110, ist der aufrechte Gang keine empfehlenswerte Fortbewegungsart. Zumindest nicht unter Deck und wenn einem an einem immerhin äußerlich schadensfreien Verstandskasten gelegen ist. Das hatte ich insgeheim ja fast noch erwartet, was mich aber wirklich enttäuschte, waren die engen Verhältnisse im Niedergang. Für Segellaien: das ist der Eingang von draußen nach drinnen, der bei den meisten Segelschiffen auch gleichzeitig über ein paar Stufen nach unten führt, weil der Salon (drinnen) meistens eine Etage tiefer liegt als das Cockpit (draußen). Bei den Southerlys erinnert das an die lustigen IKEA-Tunnels, durch die unsere Kinder vor vielen Jahren mit großem Vergnügen krabbelten. Ich jedoch stelle mir das Gegröle der Crew vor, die mich mit vereinten Kräften wie einen Korken aus der Flasche aus dem Niedergang würgt, damit ich oben und draußen nach dem Rechten sehen kann, und mich anschließend mit ebensolcher Lust wieder reinstopft, um unten und drinnen meinen Aufgaben als Navigator nachgehen zu können. Des mannhaften Skippers Autorität nicht gerade förderlich. Das war’s mit der Southerly, das war ihr Todesurteil. Schade, denn ansonsten sind das sehr schöne, durable Schiffe auf einem sehr hohen Qualitätsniveau.
Die ausgesprochen positive Überraschung lag allerdings gleich am Steg gegenüber: die Sirius. Eine betörende Bauqualität, ein ausgesprochen schickes Schiff, Stehhöhe und Stauraum ohne Ende und ein Niedergang, bei dem der Begriff „Nieder-“ völlig unangemessen ist. Man geht rein und nicht runter. Decksalon halt. Wieder für Laien: Eine Decksalon-Yacht zeichnet sich dadurch aus, dass die Polstersitzgruppe drinnen (auch Salon, manchmal auch Messe genannt – siehe Foto unten) auf gleicher Höhe liegt wie das Cockpit draußen. Sehr kommunikationsfördernd. Man kann zum Beispiel dem Kollegen, der draußen bei Windstärke 8 und Hagelschauern Ruder geht, regelmäßig mit einem Becher Kaffee aufmunternd zuwinken. Das fördert den Teamgeist ungemein. Diese Bauform bedingt ein erhöhtes Deckshaus, das dem Kaffee-Kollegen drinnen Luftraum und gleichzeitig dem Steuermann draußen ein bisschen Schutz gewährt, auf dass ihm der Hagelsturm schon gleich viel angenehmer vorkommt. Siehe Foto aus der Bauphase oben.
Wenn ich bis hierhin je ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, KEINE Sirius zu kaufen – beim Betreten dieses Schiffes war’s vorbei mit mir. Selbst Sohnemann, der immer gegen diese Art Boot opponiert hatte (Rentnerschiffe!) ging voll ab. Höchstes handwerkliches Niveau, was man auch anfasste und wohin man auch schaute, gepaart mit Stil und Chique.
Und dann die Werftcrew. Torsten Schmidt, der Inhaber, saß sehr freundlich und sehr entspannt lächelnd im Cockpit und schaute seinen Besuchern beim Verlieben zu. Neben sich der Grund seiner Tiefenentspannung, eine aktuelle Ausgabe des englischen Segelmagazins Yachting Monthly mit dem Test der Sirius 35 DS, die größere Schwester der 310 DS. Headline auf dem Titel „is this the best yacht ever built?“. Wenn Engländer so über ein deutsches Schiff urteilen, kommt das einem maritimen Nobelpreis gleich. Was sich natürlich auch prompt in seinen Auftragsbüchern bemerkbar machte.
Und schlagartig wurde mir klar: eine Preisverhandlung mit dem Mann konnte ich mir sparen.