… die Wiederentdeckung der Langsamkeit – so bringen wir es mal auf den Punkt. Die 1,2 Knoten als Geschwindigkeitsangabe auf unserem Plotter oben sind nicht ganz untypisch für das letzte Oktoberwochenende. Aufgenommen auf dem Weg von Stavoren nach Enkhuizen am Samstag. Zunächst hat es ja noch ganz schönen Segelwind. Der legt sich aber immer mehr zur Ruhe. Wir halten lange durch, aber irgendwann hat man dann keine Wahl mehr, will man heute noch ankommen. Maschine an, und mit einigermaßen normalem speed geht’s weiter.
Es kommt einem ja geradezu zerstörerisch vor, die glatte See mit gedieselten fünf Knoten zu durchschneiden. Aber wir können unser Schiff ja nicht nach Enkhuizen rudern.
„Wir“ sind Sigrid und ich. Und weil in den letzten Wochen und Monaten so viele danach gefragt haben: sie ist wieder an Deck, die Chemos und sonstige Therapien liegen fast hinter ihr (und uns), und sie genießt das unkomplizierte Dasein an Bord. Es gab aus dem Kreis der Blogleser viele warme Worte für uns. Danke dafür!
Spaziergang durch Enkhuizen und immer wieder Fotomotive, die einem vor die Linse springen. Übergeordnetes Thema: Herbst …
… und seine Farben. Okay, die tiefstehende Sonne setzt noch einiges zusätzlich in Szene.
Ein bisschen nebulös kommt uns das Krabbersgat bei Enkhuizen auf dem Rückweg am Sonntagvormittag vor. Sichtweite deutlich unter einer Seemeile, ich schalte Positionsleuchten und Dampferlicht ein. Ja Dampferlicht, denn wir motoren. Diesmal liegt es aber an mir, Wind wäre in gerade noch akzeptabler Schwäche da. Komisch, auf dem Rückweg zum Heimathafen hab ich immer ne Hummel im Hintern.
Andere segeln auch bei wenig Wind, siehe oben (Gruß an Rainer). So sollte es eigentlich sein. Für mich ist der Nebel eine Ausrede, wir dieseln.
Ein typischer Herbstmorgen am Montag. Wir trödeln, wollen eigentlich nach Hause fahren. Eigentlich. Der Tag wird ein goldener, und nach dem Frühstück schmeißen wir unsere Pläne über den Haufen, die Leinen noch einmal los und dieseln den Johan Friso Kanal Richtung Osten, Heeg. Ausrede dieses Mal: kein Wind. Echt! Null.
Ich reduziere die Drehzahl auf 1500 Umdrehungen, das gibt viereinhalb Knoten. Schleichfahrt, leise, wir reden kaum. Wenig Verkehr, Ruhe, Weite, Erholung für Auge und Seele. Man sackt gedanklich in sich zusammen.
Bis zur Insel Leijepolle kurz vor Heeg. Wir legen an, machen Mittagspause. Frikadellen, Möhren, Kaffee, Kekse – und Ruhe. Ein geiler Beobachtungsposten direkt am derzeit unterforderten Fahrwasser im Heeger Meer. Focus auf unendlich.
100 % Sonne, 0% Wolken, 0,1% Wind. Die Temperatur: Jacke und Mütze, mehr ist nicht notwendig. Ach ja doch: Stiefel gegen kalte Füße, denn die stehen auf dem Cockpitfußboden im Schatten.
Ich mache übrigens zum ersten Mal an Leijepolle fest. Zur Info: 1,80 Wassertiefe an der Außenpier, und es gibt sogar ein kleines Hafenbecken (wie tief das ist weiß ich aber nicht).
Zurück Richtung Warns. Bis Galamadammen. Dort wo Rüm Hart vor 5 Jahren getauft wurde. Wir machen fest. Die Hotelterrasse ist bis auf einen Tisch voll besetzt. Appelgebak met slagroom en koffie verkeerd.
Unsere Stimmung ist fast andächtig, genusssüchtig, leise. Ich mag Friesland; dieses Wetter, die Sonne machen daraus ein Paradies.
Mit einsetzender Dämmerung (Scheiß Winterzeit) tuckern wir wieder die letzten Kilometer nach Warns zurück. Dieser Tag ist ein Geschenk. Wir beenden ihn mit Pfannekuchen aus der Bordküche und einem Genever aus meinem Flaschenschapp.
Auf euer Wohl!
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Das ist ein sehr schöner, „entschleunigter“ Törnbericht!
Schoner Volker 🙂
„Andere segeln auch bei wenig Wind…“ Bald darauf habe ich aber auch die Tiefenetspannung über Bord geworfen und die Maschine angemacht…
Liebe Grüße,
Rainer
PS: Freue mich auf Deine Bilder per Mail, Sigrid! Danke.
Sehr schöner Eintrag. Hat mich gerade echt erfreut. Alles Gute Euch beiden,