Ich hätte es ja echt nicht gedacht, aber tatsächlich war es mir vergönnt, jüngst ein zweites Mal die Stockholmer Schären zu besegeln. Das erste Mal war 2015 mit Rüm Hart, ein sechsmonatiger Solotrip – hab ja oft genug davon erzählt. Nun gibt es neben meinem eigenen Schiffchen ja noch eine weitere seglerische Liaison: Alle zwei Jahre machen sich fünf todesmutige Jungs auf den Weg, die baltischen, die niederländischen oder sogar die irischen Gewässer zu „erobern“. Wer hier regelmäßig mitliest, der hat vielleicht noch den Begriff „Reitersegler“ im Ohr, den wir früher mal für unsere verwegene Truppe verwendeten. Und weiß vielleicht sogar noch, dass wir mal sechs stramme Jungs waren. Leider leider hat uns Klaus für immer verlassen und segelt nun in überirdischen Gewässern. Wir sind also nur noch fünf. Da Klaus aber trotzdem immer dabei ist, heißen wir nun „Wir Sechs“. Das ist doch ein Statement, oder?
Also chartern wir ein Schiff in Stockholm, und ich finde mich doch tatsächlich völlig unverhofft ein zweites Mal an Schwedens Ostküste wieder, die mir schon seinerzeit so sagenhaft gut gefallen hatte. Damals – 2015 – war es Juni / Juli, jetzt ist es Ende Augst / Anfang September, was ein krasser Unterschied ist. Die Hauptsaison ist in Schweden längst zu Ende, und wenn dort die Hauptsaison zu Ende ist, dann ist alles zu Ende, dann klappen die nautisch die Bürgersteige hoch. In Fejan zum Beispiel, in den Außenschären, sind wir das einzige Schiff im kleinen Hafenbecken. Keine Menschenseele zu sehen, die Sanitäranlagen verriegelt. Es fehlen nur noch Herbststürme und Eisschollen im Hafen …
Wer Details lesen möchte, der findet hier einen bebilderten Törnbericht: https://www.ruemhart.net/wp-content/uploads/2024/09/Toernbericht.pdf
Abgesehen davon, will ich doch noch mal den einen oder anderen Punkt ausschwingen lassen, der mir auf dem Herzen liegt. Unsere deutsche Charteragentur 1a Yachtcharter (sehr gut organisiert, sehr freundlich und vollständige und übersichtliche Infos, angenehme Zusammenarbeit) hatte schon darauf hingewiesen, dass die schwedischen Charterstationen etwas – nun ja – speziell sein könnten. Und so kam es dann, dass die Übergabe des Schiffes – eine Sun Odyssey 509, Baujahr 2011 – eigentlich gar keine war. Eine gründliche Einweisung fand jedenfalls nicht statt. Was ich auch gar nicht als sooo schlimm empfand, zumindest blieb uns so das übliche Besteck-, Teller- und Tassenzählen erspart. Andererseits konnten wesentliche Fragen, z. B. ob rechts- oder linksdrehende Schraube, ob feststehender oder Faltpropeller, nicht beantwortet werden. Der junge Mann hatte davon keine Ahnung. Neptun sei Dank war die Rückgabe eine Woche später genauso lax. Das habe ich schon ganz anders erlebt: Übergabe des Schiffes quasi im Vorbeigehen und außerordentlich lässig, aber bei der Rückgabe wurde dann tatsächlich das Besteck gezählt und der Kahn einer einstündigen Inspektion unterzogen.
Die größte „Überraschung“ war das Nichtvorhandensein brauchbarer Rettungswesten. Es waren Jollen-Regattawesten an Bord. Von aufblasbaren Automatik- oder wenigstens ohnmachtssicheren Feststoffwesten keine Spur. Das Stationspersonal war auch nicht in der Lage solche zu beschaffen. Streng genommen hätten wir damit nicht auslaufen dürfen. Formal gesehen bin ich an Bord der Skipper, also derjenige, der den Kopf und noch ganz andere Körperteile hinhält, wenn was Schlimmes passiert. Und nach einem Mann-über-Bord-Unfall mit Todesfolge hätte mir jeder zu Recht gesagt: Wie konntest du das akzeptieren!!!??? Vor allem in einer Seegerichtsverhandlung wäre diese Frage gestellt worden – und nicht zu beantworten gewesen. Die Folge hätte sein können, dass meine Skipper-Haftpflichtversicherung mir mit guten Erfolgsaussichten grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen hätte und damit aus jeder Zahlungspflicht entlassen worden wäre. Ich will weder übertreiben noch dramatisieren, aber das sehr ungute Gefühl hat mich die komplette Woche – so schön und harmonisch sie auch war – begleitet. Und eines habe ich mir für weitere Törns fest vorgenommen: Die Frage, ob und welche Rettungswesten an Bord sind und welchen Wartungsstatus sie haben, wird vorher geklärt. Jedenfalls fiel mir ein massiver Schären-Findling vom Herzen, als wir nach einer tollen Woche den Dampfer ohne Schäden, Grund- oder Feindkontakte und vor allem unfallfrei zurückgaben.
Gespannt war ich auf das Rollgroß. In den vielen Charterjahren vor Rüm Hart hatte ich nur ein einziges Mal ein Boot mit Rollgroß. Die wesentliche Erinnerung an damals: schwergängig. Und exakt das trifft es auch dieses Mal. Der Schlitten auf dem Baum, der mit ausrollendem Segel nach achtern Richtung Baumnock rutschen soll, tat genau das nicht. Er klemmte wie blöd. Also musste jemand hoch an bzw. sogar fast auf den Baum, um das Ding mit kräftigem Druck von Hand nach hinten zu schieben. Die allerletzten Dezimeter waren überhaupt nicht berutschbar, was im Ergebnis dazu führte, dass das Groß nur zu maximal 80 % ausgerollt werden konnte. Wenn das alles butterweich liefe, dann könnte ich mir die Vorteile eines Rollgroß‘ durchaus vorstellen. Vor allem für einen Dampfer dieser Größe.
Am allerschlimmsten aber waren die 3 Winschen im Cockpit. Null Grip, Null Komma Null! Harken Winschen, große Pötte, also kein Billigkram, aber man brauchte 2 Mann um sie zu bedienen. Einer kurbelte, der andere zog gleichzeitig an der dichtzuholenden Strippe. Ich hab’s dem Stationsleiter (der uns immerhin nach einem Telefonat von unterwegs einen weiteren Tag schenkte) bei der Rückgabe demonstriert, und er war verwundert, weil die gerade im vergangenen Winter überholt worden waren. Äußere Schäden habe ich an den Dingern nicht erkennen können, auch die „Zähne“ waren vorhanden und strukturiert. Sehr merkwürdig fand ich, dass alle drei die gleichen Probleme hatten.
Von all dem war die Stimmung an Bord überhaupt nicht beeinflusst, nicht dass hier der falsche Eindruck entsteht. Es war wieder einmal ein rundum gelungener Törn mit viel Spaß und Genuss. Das liegt in erster Linie an der Crew, die in der Lage ist, aus jeder Situation das Beste zu machen. Ich denke, die Fotos geben diesbezüglich das stimmigere Bild ab.
Und der nächste Törn? 2026? Vermutlich wieder mal Holland, das Watt, die Inseln, Trockenfallen und auf dem Meeresgrund spazieren gehen.
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Moin!
Ich habe ein Seldén In-Mast Rollgroß aus 2007,das butterweich läuft und von meiner Frau leicht bedient werden kann.
Mann / Frau muss nur wissen, wie es zu bedienen ist!
War beim Kauf meiner Nauticat 351 auch recht skeptisch, da ich schlechte Erfahrungen mit einem anderen System hatte. Jetzt bin ich allerdings höchst glücklich, dieses Teil an Bord zu haben. Man wird ja nicht jünger…
Allerdings ärgere ich mich immer wieder mit dem 302 Furlex Genua Roller rum. Wegrollen geht oft nur über die gut funktionierenden 48er HARKEN Winden.
Hatte anfangs überlegt, die gegen schöne Andersen auszutauschen. Aber: Never change functional parts!