Während in Plön die Rüm Hart weitergebaut wird, könnten wir mal einen Blick auf meine seglerische Basis der Neuzeit werfen. In den letzten dreizehn oder vierzehn Jahren habe ich regelmäßig mit wechselnder Crew gechartert. ‚Wechselnde Crew‘ suggeriert, dass es ständig neue Leute an Bord der Charteryachten gab. Falsch! Im Grunde genommen bin nur ich ständig – nämlich jährlich – zwischen zwei Crewgruppen gewechselt. Zum einen waren meine beiden älteren Kinder Lisa und Ole mit im Boot. Wibke, die jüngste, hatte sich vornehm der Reiterei (die gleich wieder ins Spiel kommt) zugewandt. Ein Erbfehler von Muttern.
Zum anderen gibt es die Reitersegler.
Ok, ‚Reitersegler‘ muss man erklären. Die Geschichte ist folgende: Es war so ca. Anfang dieses Jahrtausends, als meine Frau sich an einer Hobby-Reiterinnengruppe beteiligte (die reine Weiblichkeit der Truppe ist nicht ungewöhnlich, aber an dieser Stelle wichtig), die sich donnerstag abends traf und anschließend im Reiterstübchen bei Bier und Reitersuppe endete. Es dauerte natürlich keine vier Wochen, dass auch der männlich Part unserer Amazonengarde vor allem auf den zweiten Teil dieser Abendbeschäftigung aufmerksam wurde und sich nach einigem Zögern entschloss, die doch gerade gewonnene Ruhe zuhause zugunsten einer schönen, kühlen Blonden wieder aufzugeben. Und es entstand ein bunter, gut gemischter Haufen netter Menschen. Mit nie versiegendem Gesprächsstoff. Während die reitenden Frauen das gleiche Hobby teilten, teilten wir Männer das gleiche Schicksal: reitende Frauen. Nun sind aber reitende Frauen nur vorübergehend ein ergiebiges Thema. Schnell kommt man auf andere, zum Beispiel auf Männerhobbies. Da sind wir beim Segeln. Man glaubt ja nicht wie schnell, konsequent und umsetzungsstark Männer werden, wenn es gilt, ein Hobby anzutesten. Ein Hobby, vielleicht auch ein Sport, das nach Freiheit und Abenteuer riecht.
Und im September 2002 waren sieben unerschrockene Männer an Bord eines gecharterten, niederländischen Plattbodenschiffes. Nun gut, gleichzeitig waren es nicht mehr als fünf, drei blieben die ganze Woche und zwei ließen sich nach der Wochenhälfte schweren Herzens, aber planmäßig ablösen. Zu erwähnen ist aber, dass niemand von meinen insgesamt sechs Kumpels je zuvor ein Segelschiff betreten hatte. Der eine hatte gewisse Motoryachterfahrung, der andere war schon mal auf der Jolle mitgesegelt – das war’s. Also hatte ich die Aufgabe, zunächst allen ein zumindest theoretisches Fundament zu verschaffen. Wie funktioniert Segeln, wie laufen bestimmte Manöver ab, was passiert beim An- und Ablegen, wie steuert sich so’n Schiff, was sind die Sicherheitsregeln, welche sicherheitstechnischen Einrichtungen gibt es an Bord, wie funktionieren die Basisknoten und so weiter und so weiter … Aber natürlich war nicht zu verhindern, dass wir eine Crew der Ahnungslosen waren. Mir selbst ging es ja nicht viel besser. Sooo weit voraus war ich meinen Freunden ja nicht. Nein, entscheidend für das Gelingen und für eine tolle Woche war, dass wir mit der richtigen Einstellung und Haltung an die Sache rangingen: Wir lernen gemeinsam, wir probieren gemeinsam aus, wir haben gemeinsam Spaß, wir machen gemeinsam Fehler. Und – für unser Zusammengehörigkeitsgefühl ganz wichtig – wir tragen alle Konsequenzen gemeinsam.
Es ging gut, sogar sehr gut! Wenn ich mein Logbuch von damals lese, krieg ich heut noch „Pipi inne Augen“. Wir haben das Schiff unversehrt zurück gegeben. Zumindest in der rosarot vernebelten Erinnerung. Bei ungetrübter Sicht auf die damaligen Dinge muss ich zugeben, dass dann doch eine klitzekleine Macke am Steuerbord-Seitenschwert zu vermelden gewesen war. Gleich beim ersten Mal mit einem schwierig und schwer zu segelnden Plattbodenschiff loszudüsen, war aber auch eine besondere Herausforderung und nur dem Platzbedarf für fünf stramme Jungs geschuldet.
Es war aber eine Initialzündung für drei weitere Törn. Und diesmal ließ sich niemand nach der Wochenhälfte auswechseln. Noch einmal machten wir Holland unsicher. Danach warteten größere Aufgaben auf uns: die Ostsee! Und wieder hatten wir ein Platzproblem, denn man versuche mal, auf der Ostsee ein geräumiges Plattbodenschiff zu chartern! Sowas haben die da nicht. Was es gab, war ein Katamaran. So ein Ding ist vor allem eines: breit! Und ein breites Schiff hat Platz. Meistens jedenfalls. Die ‚Lamara‘ hatte Platz – ausreichend. Was Lamara allerdings fehlte war – ja – Fortune. Oder besser ihrem Herrn und Meister. Bei der Bootsübergabe in Arnis an der Schlei lernten wir einen kranken und gebrochenen Mann kennen, der sich trotz schwerer Grippe und Fieber zu seinem Schiff geschleppt hatte um es seinen Charterkunden anzuvertrauen. Er erzählte uns, dass er noch vor wenigen Wochen mit diesem Schiff und gemeinsam mit seiner Frau bis Stockholm und durch den Götakanal wieder zurück gesegelt sei (genau mein Traumtörn!). Wenige Tage nach der Rückkehr war seine Frau gestorben.
Bedröppelt waren wir losgesegelt, aber es wurde eine schöne Woche. Zwei Wochen später – wir waren schon längst wieder zuhause – habe ich versucht, ihn telefonisch zu erreichen, weil ich ihm Fotos von unserem Törn versprochen hatte. Mehrere Tage lang ergebnislos. Schließlich rief ich seinen Charteragenten an und erhielt die verstörende Nachricht, dass der Eigner der Lamara kurz nach unserer Rückgabe seines Schiffes an Lungenkrebs verstorben war…
Geschichten gibt es viele von den Reiterseglern. Eine weitere betrifft unseren zweiten Holland-Törn. Wieder mit einem Plattboden, der ‚Zwarte Tijger‘. Eine wahre Wuchtbrumme von Schiff, 15 Tonnen, mit einer besonderen Vergangenheit, die wir allerdings erst unterwegs kennen lernen sollten. In Person von Jacqueline.
Man freue sich also auf den nächsten Eintrag …