Ist es euch auch aufgefallen? Der Beginn der diesjährigen Segelsaison war dominiert von Nordost-Winden, also alle Windrichtungen aus dem ersten Quadranten, von Nord über Nordost bis Ost. Fast ausschließlich. Das war schon im September letzten Jahres so, als ich mit meinen Freunden auf einem gecharterten Kat im kleinen Belt (Ostsee) unterwegs war. Es kachelte damals 10 oder 12 Tage lang – von denen wir 8 unterwegs waren – nur aus Ost. Starkwind – und wir bekamen gut auf die Mütze. Bislang war Nordwest bis Südwest unser geradezu heimatlicher Wind (mit guter Chance auf willkommene Abweichungen). Die nordeuropäische Normalrichtung sozusagen. Ost gab es auch mal, aber nur als kurze „Rückweg-Episode“, und oft genug musste man sogar lange darauf warten.
Ich habe im Netz die frei zugänglichen Seiten von Meteostat gefunden, die den krassen Unterschied zwischen 2022 und 2023 für Stavoren zeigen, jeweils vom 1. Mai bis heute:
Link für 2022: https://meteostat.net/de/place/nl/stavoren?s=06267&t=2022-05-01/2022-06-18
Link für 2023: https://meteostat.net/de/place/nl/stavoren?s=06267&t=2023-05-01/2023-06-18
In beiden Fällen bitte ein kleines bisschen runterscrollen über Temperatur – Niederschlag – Windgeschwindigkeit bis schließlich zu Windrichtung. Schon auffällig, nicht wahr?
Ich denke an den TV-Meteorolegen Sven Plöger, der genau diese anormalen, aber stabilen Wetterlagen vorausgesagt hatte und deren bislang unbekannte Aufenthaltsdauer – wenn ich es in der Erinnerung noch richtig auf die Reihe kriege – mit dem durch den Klimawandel veränderten Jetstream erklärt hatte.
Es ist jedenfalls das erste Mal, dass ich höchstselbst und sehr persönlich die Auswirkungen und Veränderungen, über die man sonst immer nur hübsch gefiltert in der Zeitung liest, zu spüren bekomme. Rüm Hart liegt im Heimathafen mit dem Heck nach Nord, und nach wochenlanger Düse – eiskalter Düse! – geht mir der Nordost, der das Cockpit unbewohnbar macht, gehörig auf den Senkel. Im Vergleich zu den Folgen anderenorts ein geradezu lächerliches Luxusproblem. Aber nachdenklich macht es mich schon, weil auf einmal so direkt und ganz ohne Medienfilter.
Ein komfortables Rückwegwetter bleibt uns versagt, was Sigrid und mich zu unbequemen Kreuzkursen auf dem Weg vom Markermeer über Enkhuizen zurück in den Heimathafen zwingt. Weder gentleman’s noch lady’s noch senior’s wind.
Ein zweites erstes Mal ist unser Besuch auf Marker Wadden. Eine künstlich gebaute Inselgruppe knapp westlich von Lelystad und südlich des Mitteldeiches. Eigentlich ein strikt gesperrtes Naturschutzgebiet, aber eine der sieben Inseln ist per Boot erreichbar. Der Segler findet dort sogar eine gewisse Infrastruktur mit einer kleinen Marina (aber ohne Landstrom), Toiletten, Duschen und einem Restaurant mit einem Basic Angebot, aber toller Terrasse am Strand. Vor allem aber findet er ausgedehnte Spazierwege, Ruhe und eine junge und frische Natur. Sigrid schnappt sich die Kamera samt Telekanone und macht sich auf die Pirsch. Als sie Stunden später zurückkommt hat sie 8 km auf dem Smartphone Schrittzähler.
Alle Fotos dieses Beitrags erzählen von diesem Törn Anfang Juni. Juni!!! Eigentlich der zarte Sommerbeginn. Aber ich bin heilfroh, nach der langen Kreuz gegen den popokalten Nordost wieder im Heimathafen zu sein.
Schön dich/ Euch unterwegs zu sehen
Liebe Grüße Johann
Hallo Manfred, Du sprichst mir aus der Seele. Meine Kia Ora liegt im Lemmer Heimathafen auch mit dem Heck nach Nord. Bei starkem Sonnenschein und Hitze genieße ich beim Aufenthalt im Cockpit diese dann vorteilhafte Ausrichtung, weil die Sprayhood über Stunden Schatten spendet. Jetzt habe im Gegensatz zu deiner Sirius keinen Decksalon. Daher steht beim Aufenthalt unter Deck gewöhnlich immer der Niedergang auf, da man nicht so im „Keller“ sitzen möchte. Und genau das war bei dem anhaltenden N bis NO fast den ganzen Mai 2023 so gut wie nie möglich, weil mir eben permanent der kalte Wind ins Boot wehte und mir gehörig auf den Senkel ging.
Endlich hat mal einer ausgesprochen, was ich schon lange mal loswerden wollte. 🙂
Herzliche Grüße Alex
Moin Manfred,
ja, das Gleiche habe ich auch schon mehrfach mit Freunden besprochen. In diesem Jahr so auffällig, wie ich es noch nicht erlebt habe. Gefühlt nehmen die Ost-Lagen vor allem im Frühjahr schon in den letzten Jahren zu. Aber so festgenagelt wie in 2023? 01.Mai, Himmelfahrt, Pfingsten, Latte-Cup und ein verlängertes Fronleichnams-Wochenende mit meinem Kumpel. Immer zwischen Nord und Ost, und erst nach dem Monatswechsel mit einigermaßen erträglichen Temperaturen.
Aber andererseits: Lieber sonnig und kalt als Nieselregen und 5 Grad mehr.
Schöne Grüße
Klaas