Vorwarnung vorweg: dies ist eine Kurzfassung unserer Reise, aber eine lange Kurzfassung. Wer sich drauf einlässt, wird mit schönen Bildern belohnt, die durch anklicken noch schöner (und vor allem größer 🙂 ) werden. Dies hier mal zum Üben: 🙂
Mit der DB erreichen wir Kiel am Mittwoch pünktlich(!) um die Mittagszeit. Der Fußweg zum Norwegenkai ist nur kurz, die Koffer aber schwer. Schließlich muss das kleine Schwarze mit, das zumindest in meinem Fall allein schon eine Kofferhälfte beansprucht. Egal.
Die Ocean Majesty ist kein klassisch schönes Schiff, hat aber zumindest einen knackigen Hintern. Allerdings mit Cellulite. Heißt: reichlich Beulen im Blech. Die Anlegemanöver scheinen also auch hier nicht immer hauchzart zu gelingen. Das Ablegemanöver aber klappt reibungslos. Dreimal kurz und es geht rückwärts zum „Wendeplatz“ und dann durch die reichlich gefüllte Förde raus. Es ist Kieler Woche und gut was los. Sogar die Queen Elizabeth gibt sich die Ehre.
Große Belt Brücke am Abend, Kattegat in der Nacht, Skagerak am Vormittag. Am zweiten Abend passieren wir Stavanger und tauchen in die südnorwegischen Schären ein. Am nächsten Morgen Einfahrt in den Sognefjord, mittags erreichen wir Flåm. Busfahrt nach ganz oben, Dachlattenkirche (ok, die Reiseführer nennen das Stabkirche) und die steilste normalspurige Bahnstrecke der Welt, die Flåmbahn – ein Erlebnis.
Das wird typisch sein für die nächsten Tage, die Abwechslung von längeren Tagen an Bord und die Bewältigung von Seemeilen mit Zwischenstops und kurzen Bustouren zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten. Letztere erspare ich mir hier im Detail zu schildern, ich kann mir die Einzelheiten eh nicht merken.
Die einzelnen Stationen sind jedenfalls: Kiel, Flåm im Sognefjord, Ålesund, Leknes auf den Lofoten, Honnigsvag (Nordkap), Tromsø, Geiranger Fjord, Bergen, Kiel. Insgesamt 3.353 Seemeilen in 12 Tagen. Die folgende Karte zeigt die Route in ihrer Gesamtheit:
Die ersten Tage an der norwegischen Küste ist das Wetter nicht gerade karibisch. Es regnet. Temperaturen so um die 15° C, teilweise kräftiger NW. Je weiter wir nach Norden kommen, desto schöner wird es, aber auch kühler. Allerdings gibt es durchaus auch Tage mit herrlicher Sonne, Rückenwind und deswegen angenehmen Bedingungen für den Aufenthalt auf den offenen Decks.
Sowieso passen tiefhängende Wolken und eher kühlere Temperaturen auf eine ganz eigene Weise zu dieser geheimnisvoll erscheinenden Berg- und Wasserwelt. Mit den Wolken hängt eine mystische Stimmung über der Szenerie, und nichts passt besser dazu, als mit dem Schiff in gemäßigter und ruhiger Fahrt daran vorbei zu gleiten. Eine sehr angenehme Art des Reisens, bei der tatsächlich der Weg der bedeutendere Part ist.
Am Zielort angekommen, wird die Reise entweiht. Der seefahrende Gast wird zum Touristen degradiert, in volle Busse gelenkt und zum must have seen spot gekarrt. Dort werden ihm 20 Minuten Zeit für Fotos gegeben, bevor ihm dann wieder eine überaus freundlich lächelnde Hostess ein Schild „Ocean Majesty, Gruppe 4“ über den Kopf hält und zur Eile beim Einsteigen in den Bus mahnt, damit man auch die nächsten 3 Highlights noch schafft, die unbedingt abgehakt werden müssen. Unterwegs pumpt man ihn über die Buslautsprecher mit überflüssigen Informationen voll (kann man sich eh nicht merken), um ihn endlich nach 4 Stunden wieder am Schiff abzuladen.
Schon gut, diese Sichtweise ist die gehässige. Sigrid, meine kulturell sehr interessierte und vor allem in solchen Dingen aufnahmefähige Kabinengenossin, sieht das völlig anders. Und schließlich haben wir diese Exkursionen vorher gebucht. Dennoch, zu oft entstehen herdentriebige, massentouristische Situationen. Schade, denn es ist durchaus interessant, mal einen Blick ins Landesinnere zu werfen.
Mit dem überschreiten des Polarkreises auf 66,57° nördlicher Breite werden die Nächte hell und heller. Die Sonne geht nicht mehr unter, was einem die nächtliche Orientierung Richtung Koje versaut. Man merkt erst um halb zwei in der Nacht, dass man eigentlich müde ist und freut sich, dass die Vorhänge in der Kabine ziemlich lichtdicht sind. Das Aufmacherfoto ganz oben wurde genau um Mitternacht aufgenommen (die beiden folgenden auch). Optisch und fotografisch eine tolle Sache, und für die Umsätze in den Bordbars sowieso.
Werfen wir noch einen kurzen Fotografenblick auf die Lofoten, die Inselkette, die vom Rücken des skandinavischen Löwen etwas absteht. Eine landschaftliche Fortsetzung der norwegischen Küste, noch etwas gewaltiger und rauher.
Ein echtes Highlight ist der Trollfjord am nordöstlichen Ende der Lofoten, eine ca. 1 Seemeile tiefe und sehr enge Sackgasse mit natürlichem Wendebecken am Ende. Und hier spielt die Ocean Majesty ihr Plus aus: als kleines Schiff (136 m) darf und kann sie dort hinein. Übrigens unter Abspielen von Edvard Griegs Peer Gynt Suite (Solveigs Lied u. Morgendämmerung), und wirklich, das passt wie Popo auf Eimer. Ein so mit allen Sinnen empfundenes Hocherlebnis.
Etwas eingeschränkt gilt das für das Nordkap. Rechtzeitig bevor wir es erreichen, zieht Neptun die Vorhänge zu. Sprich: sehr schlechte Sicht und tiefhängende Wolken. Gerechtigkeitshalber ist die tatsächliche geografische Nordspitze Europas noch am besten zu sehen. Der 500 m hohe Felsblock gleich daneben, auf dem sie fälschlicherweise die berühmte Gitter-Weltkugel aufgebaut haben, macht oben rum dicht. Dennoch werden wir in vollen Bussen hochgefahren, gebucht ist schließlich gebucht. In unserem Fall ist die Fahrt immerhin ein echtes Erlebnis: die junge Fahrerin scheint die Strecke auch bei dichtestem Nebel auswendig zu kennen und trägt ganz offenbar sehr wirksame Sebastian Vettel Gene in sich. Die hat’s drauf.
Hier oben hat die Schneegrenze die Küstenzone erreicht. Das sieht aus, als ob man die Alpen geflutet hätte. Eindrucksvoll und schön. Südlich des Polarkreises tragen die Felsen wieder mehr Grün und später sogar wieder Wälder. Unser Kurs führt uns fast ausschließlich durch die Schären, sehr selten mal bekommen wir ein wenig Seedünung zu spüren.
Zurück im Süden ist der Geirangerfjord der vorletzte Stop. Sigrid fährt mit ihrer Gruppe auf 1500 m Höhe in den Schnee und hat einen fantastischen Blick auf die Landschaft und den Fjord.
Ich habe mich für eine Kajaktour entschieden. 7 doppelsitzige Boote (plus Guide) paddeln zurück zu den sieben Schwestern, den berühmten Wasserfällen, die wir kurz vorher schon mit dem großen Schiff passiert haben. Nach insgesamt 3 Stunden sind wir wieder in Geiranger, dem namensgebenden Ort am Ende des Fjords. Das hat Spaß gemacht. Wie kriege ich bloß so’n Kajak in meiner Rüm Hart unter?
Schnell noch Bergen, auch ein schöner und lebhafter Ort. Wir canceln die vorgebuchte Bustour und erkunden die Stadt auf eigene Faust, ganz für uns allein. Eine gute Entscheidung.
Tja, und dann geht’s endlich mal zur Sache und wir sind uns sicher, dass wir eine Seefahrt machen. Hack aus West, immer stärker werdend. Dabei schönes Wetter, blaues aber wildes Wasser mit weißen Schaumspitzen bis zum Horizont. Es schaukelt ein bisschen, und als nach Skagen Südkurs anliegt, kommt auch noch eine gewisse Grundkrängung hinzu, wie der Segler sie kennt. Alle Außendecks werden gesperrt. Die Türen nach Luv bekommt man eh nicht mehr aufgedrückt, und die Kojen sind jetzt etwas abschüssig.
Bis Kiel hat sich das alles beruhigt, und es ist Montagmorgen, als wir festmachen und eine Stunde später ausschiffen können. Tolle Reise, wiederholungswürdig. Wenn nicht … aber davon im dritten Beitrag.
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