Der Törn, der eigentlich zur 1000 Seemeilen Triumpffahrt werden und auf dem das Überschreiten eben dieser Zahl mit Schampus und leckerem Essen zelebriert werden sollte, nun ja, der ging an verschiedenen Fronten in die Hose. Ich mach’s mal kurz:
Donnerstag, Himmelfahrt. Ablegen in Warns mit 998 Seemeilen auf der Uhr. Und exakt bei 1000 Meilen vor der Schleuse in Stavoren nämlich zerlege ich unser Gummischnulli am Heck durch ungeschicktes Rückwärtsfahren beim Festmachen am Wartesteiger vor der Schleuse. Die rechte, hintere Schlauchkammer reißt auf und entlässt Inhalt und Leben mit scharfem Pfffffttt Nur durch eiserne mentale Disziplin der Crew kann die Mord-, Selbstmord- und Scheidungsrate von Deutschen in Holland auf gewohnt niedrigem Niveau gehalten werden.
Die Schleusung dagegen klappt trotz voller Schleusenkammer wieder wie am Schnürchen. Immerhin. Unser Plan: Außen rum bis Hindelopen, am nächsten Morgen kurz um die Ecke nach Workum, von dort binnen über die Kanäle zurück nach Warns. Kreisverkehr. Kurz vor Hindeloopen bemerken wir ein riesiges Regattafeld von Optimisten. Jene segelnden Schuhkartons, die im Kinder- und Jugendbereich weltweit stark verbreitet sind. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um die Dutch Youth Regatta mit über 700 Booten. Natürlich … weichen wir denen aus und verdrücken uns ganz nach Steuerbord bis an das Flach vor Hindeloopen. Dennoch befinden wir uns auf einmal in einem kleinen Teil des Feldes. Ein Mädel im Kampfmodus wendet uns direkt vor den Bug. Gott sei Dank haben wir keine 10 Sekunden vorher die Maschine angeschmissen und ich kann voll rückwärts geben. Sonst hätten wir die Deern übergemangelt. Mann Mädchen ich bin alt, schwach, herzkrank und mental angegriffen – siehe oben. Lass uns das nächste Mal eine Seemeile Abstand voneinander halten. Okay?Hindeloopen ist ein niedliches Örtchen, vor wenigen Tagen war ich ja noch mit Ralf hier. Dennoch würden wir am nächsten Morgen gerne weiterfahren. Geht aber nicht. Bei Windstärken über 25 Knoten, in Böen bis 30 (6-7 Beaufort) bleibt man im Hafen. Es kachelt wie blöd draußen, wir lassen uns am Liegeplatz durchschaukeln, lesen, gehen spazieren, Fischbrötchen essen und entspannen. Und ich installiere endlich die Ladestation meiner neuen Handfunke. Hat ja auch was.
Aber am Samstag kann’s dann losgehen. Der Rat vom Hafenmeister: bis 10 Uhr draußen sein, danach brist es wieder auf. Nun denn, um 9 sind die Leinen los und 3 Minuten später wir in der Hafenausfahrt. Kurzer Schlag nach Workum. Die Segel bleiben unten, lohnt nicht. Auf einmal sehen wir sie aus dem Kanal von Workum herausquellen: die Opti-Armada von Donnerstag! Wie aus der gerührten und geschüttelten Schampus-Pulle werden sie aufs Ijsselmeer gespuckt. Nein, nicht noch einmal meint zumindest meine Admiralität. Ich zögere noch, aber sie hat Recht. Wir wenden und nehmen Reißaus. Zurück nach Stavoren, gegen den tatsächlich zunehmenden Wind, bei holpriger Welle, starkem Regen und unter Maschine.2 Stunden später stehen wir vor der Hafeneinfahrt von Stavoren, bei mittlerweile wieder über 20 Knoten Wind und anderthalb Meter Welle. Sigrid ist unter Deck um ihre Handschuhe zu holen. Eine Hammerböe erwischt uns von der Seite und drückt uns beinahe platt aufs Wasser. Siggi spielt unter Deck Stehaufmännchen, bleibt aber ohne Prellungen. Ich kann mich im Cockpit festhalten. Der Schleusenwärter ist so nett und öffnet sofort und ohne Wartezeit. Unser Schleusenmanöver ist fast schon elegant.
Keine halbe Stunde später sind wir wieder am Heimatliegeplatz in Warns und entscheiden vorzeitig nach Hause zu fahren. Der Regen soll bis morgen konstant bleiben, Temperatur und Wind auch. Das lässt sich im heimischen Wohnzimmer besser aushalten.
Ach ja, ich vergaß die Treffsicherheit der niederländischen Möwen. Beim Fischbrötchen in Hindeloopen scheißt mir eine im Hochgeschwindigkeitsflug zielsicher auf die Schulter.
Oder hatte sie vielleicht sogar mein Makrelenbrötchen im Visier
???
Hier noch das 1000-Meilen-Beweisfoto. Natürlich etwas verunglückt, weil unscharf. Also passend. Egal. 1000 sm mit Rüm Hart. Prost!
Lieber Manfred,
auch Dein Unglücksberichte sind schön zu lesen. Übrigens sprechen die Fotos eine andere Sprache, na ja, mal abgesehen vom Gummischnulli, dass Dir aber doch ohnenhin ein Dorn im Auge war.
Und was solls, ist doch alles gut gegangen. Du hast keinen Herzkasper bekommen, Sigrid sich unter Deck nicht die Rippen gebrochen und Wunden lecken nach einem Schwerwettertörn tun wir doch alle. Das ist normal.
Gruß Klaus
Hallo manfred,
ja, das war ein Wochenende… 🙂
Das Regattafeld war schon imposant anzusehen.
Am Freitag hatte ich dann auch prompt „Feindberührung“ und holländische Schiffsreparierer um einen Auftrag reicher gemacht. 🙁
Du hast halt recht: bei >25Kn Wind bleibt man mit dem Ar… in der Box.
Gruß
Christian
Hallo Manfred!
Ich picke mir jetzt mal das Positive raus: Glückwunsch zu den 1000 sm!
Davon sind wir noch weit entfernt, bis jetzt sind es ca. 40 🙂 (mit dem eigenen Bötchen) auf den nächsten 960 fahren wir sicher auch noch einiges kaputt, eine Sonnenbrille haben wir schon versenkt…
Und das dann mit einem leckeren Makrelenbrötchen feiern ist doch super :-). Aber das wichtigste: Alle Menschen sind heil geblieben.
Viele Grüße,
Sue
PS: Wie immer schön geschrieben!