Jubiläum

Nein, ich werde nicht hundert – ich seh nur so aus. Aber genau heute vor 5 Jahren, am 10. April 2015, startete mein Solo-Ostseetörn, der mich in etwas mehr als 6 Monaten von Papenburg nach Turku/Finnland und wieder zurück nach Papenburg geführt hat. Der Start in eine der freiesten Phasen meines noch so „jungen“ Lebens.

Schwedische Ostschären

Heute, exakt fünf Jahre später … na ja, genau das Gegenteil. Soziologische Einzelhaft mit Damenbegleitung – immerhin. Übermorgen, am Ostersonntag, habe ich 6 Wochen „Fünf Sterne Hauarrest“ hinter mir. Zu beklagen ist allerdings nicht der Verlust räumlicher Freiheiten, ich bewege mich durchaus draußen. Gerade eben, kurz bevor ich angefangen bin, diese Zeilen zu schreiben, war ich mit dem Mountainbike im Wald. Sigrid und ich machen gemeinsame Radtouren und Spaziergänge, und einmal die Woche radeln wir samt Anhänger zum Biobauern, Gemüse für die nächsten 7 Tage einkaufen. Aber: immer schön auf Abstand zu allem was uns zweibeinig entgegenkommt.

Gewitterfront auf dem Weg von den Erbseninseln nach Schweden

Das Dumme: in diesen ganzen Mist ist Sigrid unweigerlich mit hineingezogen. Quarantäne als Folge eines leichtsinnigen Eheversprechens. Ganz neue Sichtweisen … 🙂 .

Nachttörn von den Ålands nach Schweden

Alle soziale Kontakte sind mir verboten – von mir selbst. Stichworte: „Corona“ und „Risikogruppe“, klar, was auch sonst? Also habe ich seit Wochen keinen Kontakt zu anderen Menschen außerhalb meiner ehelichen Zweisamkeit. Kein Bier mit Freunden, kein Yoga, keine Wassergymnastikgruppe, kein wöchentlicher English small talk, keine Einladungen, kein gar nichts. Ja, sogar die Kinder werden über Ostern nicht kommen (die haben alle selbst genug mit der Situation zu tun). Und das fehlt mir sehr. Online ist auch kein echter Ersatz; gleichwohl erleichtern die digitalen Möglichkeiten das Leben enorm.

Harstena – traumhafte Ankerbucht in den schwedischen Ostschären

Nun könnte man ja sagen: wieso, das war doch beim Solotörn vor 5 Jahren nicht anders. Könnte man sagen, stimmt aber nicht. Denn Kontakte hatte ich in jedem Hafen. Spontane Einladungen (in beide Richtungen), Klönschnacks in meinem oder fremder Boote Cockpits, nachmittägliche Kaffees, nächtliche Biere oder Rotweine, Bildung von Schicksalsgemeinschaften während Sturm- und dadurch bedingter Hafentage. Alle Schattierungen dabei. Außerdem, so ganz solo war’s nun auch wieder nicht. Immer mal wieder war Sigrid oder eins unserer Kinder für Teilstrecken mit an Bord. Aber zwei Drittel war ich allein.

Traumpaar  🙂

Natürlich denke ich gerade heute mit Wehmut an diese Zeit zurück. Das möge mir erlaubt sein, und deshalb stammen alle diese Fotos hier von diesem Solotörn (Klick = Vergrößerung). Andererseits heißt es nun, die kommenden Monate mit Anstand und Rückgrat hinter uns zu bringen.

Mitternachtssonne

Monate? Ja, ich denke es werden Monate werden. Wie viele weiß ich natürlich nicht, ist vielleicht auch besser so. Bei der aktuellen Entwicklung (Stand 09.04.2020) dürfen wir möglicherweise nach Ostern mit ersten, vorsichtigen Lockerungen der geltenden Kontaktbeschränkungen rechnen. Das wäre dann auch sehr richtig so, schließlich wird es Zeit, unsere Wirtschaft wieder ans Laufen zu bekommen.

Turku, Finland – point of return

Allerdings: je lockerer das Leben wieder wird, desto wichtiger wird für mich die volle Deckung werden. Klar, das Infektionsrisiko steigt dann. Schließlich geht zumindest Sigrid hin und wieder einkaufen, zum Frisör oder mal ins Konzert, bringt also ein potenzielles Risiko mit nach Hause. Wie wir Beide das für uns rein räumlich und überhaupt organisieren, ist noch nicht zu Ende gedacht. Bis zur Entwicklung eines Therapeutikums oder gar eines Impfstoffes wird das für mich persönlich jedenfalls so weitergehen, darauf stelle ich mich ein.

enge Begegnung im Götakanal

Das heißt aber auch: die schwerste Zeit kommt überhaupt erst noch. Wenn die Freunde wieder „bei Heidi“ (Stammkneipe) ihre Biere trinken, wenn meine „Engländer“ ihre dienstäglichen Treffen oder gar ihre Jahresreise antreten, wenn meine Yogagruppe den „Kaffee danach“ nimmt – dann ohne mich 🙁 . Und diese Aussicht ist alles andere als erbaulich.

schwedische Westküste

Ich hoffe sehr, dass die Damen und Herren Wissenschaftler, Pharmazeuten und Mediziner zügig in‘ Quark kommen und in ihren Hexenküchen ein wunderbares, großartiges (Trump-Sprech) Medikament entwickeln. Und außerdem: wir haben schon ganz andere Sachen hinter uns gebracht – wenn ich mal nur an Sigrids Krebserkrankung direkt nach meiner Rückkehr von der Ostsee denke.

Rüm Hart in Hals, dänische Ostküste (Jütland)

Andererseits habe ich gerade in den letzten 14 Tagen gelernt, dass das Eremiten-Dasein auch eine entspannende Komponente haben kann. Dass ein gewisser Grad von Langeweile auch Erholung sein kann, ja sogar eine gewisse Katharsis. Großes Wort, sicher, aber es passt. Aber auch hier: Überdosis ist nicht gut, und die korrekte Dosis immer eine Gratwanderung.

Cobb Grill und ich … kein Traumpaar 🙂

Zusammenfassung: liebe Heidi, ich fürchte, mein erster Abend im Litfass wird schrecklich enden … 🙂

PS: wer kennt die Stadt vom Titelfoto? Natürlich Stockholm. Wunderschön!

*****