Begegnungen

So allmählich nehme ich von Finnland – und die Åland Inseln gehören dann ja doch dazu – Abschied. Was mir vor allem von der Rückreise von Turku bis hierher nach Mariehamn in Erinnerung bleiben wird, sind die vielen und interessanten Begegnungen die ich unterwegs hatte. Nicht nur mit menschlichen Wesen.

Zum Beispiel ist da das junge Paar, mit dem ich in Nagu/Nauvo zusammen frühstücke. Wir unterhalten uns lange, und dann stellt sich heraus, dass er Lingen kennt. In seiner Eigenschaft als aktiver Laser-Segler war er schon häufiger in Travemünde und ist anschließend nach Holland weitergereist. Und just in Lingen hat er mit seinen Kumpels immer Pause gemacht. Beide leben in einer Kleinstadt in der Nähe von Helsinki und erzählen mir von dem Kaufkraftmagnetismus, den die Großstadt auf die kleine Schwester im Einzugsgebiet ausübt. Sie ist Lehrerin und weiß viel über die Nachbarschaft mit den Russen. Die übrigens noch vor wenigen Jahren viel häufiger bei ihnen vorbeischauten als heute. „Die können sich das nicht mehr leisten, denen geht es nicht so gut“ – ist ihre Vermutung.

Ich denke auch an die „Jungfrauen-Schäre“ (Jungfruskär – ohne dass mir selbige aufgefallen wären), wo nach mir ein Fischerboot mit Papa und 2 kleinen Jungs im Alter von 8 und 10 einläuft und sich an meine Backbordseite legt. Beim Bier bei mir an Bord und während die beiden Burschen erstmal meine Hütte „aufräumen“ vergleichen wir die Bildungssysteme beider Länder. Er ist Principal einer Summer School in Finnland. Muss sowas Ähnliches wie unsere Volkshochschulen sein und ist nicht nur auf den Sommer beschränkt. Er bringt seinen Jungs mit der Ferientour das einfache, aber höchst abenteuerliche Leben bei. Die Beiden sind begeistert und ich staune, dass der Zehnjährige schon ganz passabel Englisch spricht.

Auf dem Steg dort lerne ich weitere Segler kennen, alles Finnen. Mit einem von ihnen bugsieren wir eine bei Starkwind reinkommende Yacht an den Steg und kommen ins Gespräch über Motorsport. Er war oft in Deutschland als aktiver Fahrer, unter anderem in Oschersleben, wo ich mich auch schon mal ausgetobt habe. An Bord meiner Rüm Hart tauschen wir unsere Adressen aus: Tino Aaltonen. Moment mal … Aaltonen? Da gab’s doch mal Rauno Aaltonen(?). „Den gibt’s immer noch, das ist mein Vater, und er ist immer noch aktiv und 77 Jahre alt“. Ich fall um. Rauno Aaltonen!!! Eine Recke der Rallye-Szene aus der Ära knapp vor Walter Röhrl. Monte Carlo Sieger, Mini Cooper hat er gefahren, war als Vorbereitungs- und Technikpapst bekannt und wegen seiner spektakulären Kurven- und Drifttechnik wurde immer gesagt, er habe mehr tote Fliegen auf den Seitenscheiben als auf der Frontscheibe … Sein Sohn Tino betreibt heute in Turku eine Schule für Motorsport, für’s Segeln, und mit Powerbooten befassen sie sich auch. Und der alte Herr Vater ist immer noch aktiv für ihn.

Überraschende Begegnungen auch mit einer Herde Rindviecher. Die leben auf Jungfruskär mehr oder weniger wild, sind sehr zutraulich und kommen jeden Abend mit ihren Kälbern zu den Seglern ans Wasser. Die Kinder der anderen Crews sind begeistert, und die Viecher tun ihnen nichts. Kühe und Segler, das hatte ich auch noch nicht.

Sehr „materialistische“ Begegnungen auf dem Wasser. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die ganz dicken Brummer auch diese kleinen Wege benutzen und ja, ich geb’s ja zu, mein AIS ausgeschaltet. Bis ich achtern ein entferntes, ungewöhnliches Geräusch wahrnehme und mir rechtzeitig die alte Segler-Regel einfällt: Ab und zu auch mal nach hinten schauen. Und tatsächlich ein sehr großer Bruder rückt mir mit ziemlich speed auf die Pelle (siehe Foto ganz oben) und zieht keine 5 Minuten später mit Schmackes an mir vorbei.

Tschüß Åland und Finnland. War nett bei Euch. Ihr ward meine kleine Plan-Übererfüllung, aber es hat sich echt gelohnt.

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