Eine kleine Corona Geschichte

Nach einer Woche Solosegeln ist Sigrid nun an Bord und der Herbst ins Land gekommen –  letzteres wahrscheinlich nicht nur hier in Holland, aber passend zum Titelfoto. Uns zieht es nach Süden. Nein, nicht Malle, aber das Marker Meer, der südliche (frühere) Teil des IJsselmeeres, der mit Fertigstellung des Mitteldeichs (Houtribdijk) 1976 einen eigenen Namen erhalten hat. Hoorn, Edam, da waren wir lange nicht mehr. Nach Monnickendam möchte ich unbedingt mal wieder. Dort war ich, als ich mit unglaublich jungen 19 Jahren das erste Mal auf dem IJsselmeer gesegelt bin, seitdem nicht wieder. Dunnemals war der Mitteldeich noch im Bau und das IJsselmeer eine noch viel größere Wasserfläche. Na ja, lange her, Nostalgie mit Seufzer …

Enkhuizen, Stadthafen

Unsere erste Station Richtung Süden ist also Enkhuizen, und obwohl die Zahl der Boote unterwegs überraschend groß ist, bekommen wir – Glück muss der Mensch haben – noch eine der wenigen Boxen im Stadthafen (Buitenhaven). Wir treffen Freund Klaus, dem wir schon draußen auf dem IJsselmeer näher gekommen sind, gehen spazieren und schauen dem Treiben der Menschen um uns herum zu. Besonders das „Hafenkino“ ist immer spannend. Aber eines vermeiden wir ziemlich konsequent: öffentliche Keramikabteilungen. Auf Duschen kann man mal ein paar Tage verzichten und statt dessen gründlich den Waschlappen schwingen …, und ein Klo haben wir an Bord.

Rentnerbesegelung (nur Vorsegel, bei Rückenwind), fotografiert von Klaus

Pling … das Handy. Freundin Alex schickt uns eine Warnung: Achtung, macht euch vom Acker, das deutsche Auswärtige Amt hat soeben die Provinzen Noord- und Zuid-Holland zum Risikogebiet erklärt. Tatsächlich, im Netz wird bestätigt, was Alex schreibt. Ursache ist natürlich Amsterdam, aber ein lokaler Unterschied wird da nicht gemacht, sogar Texel, kaum mit Coronafällen belastet, ist davon betroffen.

Lieblingshafen: Hylper Haven in Hindeloopen

Memo: die Provinzen Noord- und Zuid-Holland bilden fast den kompletten westlichen Teil der Niederlande, von Rotterdam unten bis einschließlich der Insel Texel oben, inkl. Den Haag und Amsterdam. Und natürlich spielt sich das Infektionsgeschehen fast ausschließlich in diesen drei großen Städten ab. Aber es sind keine Zeiten für feine Unterschiede, eher für grobe Muster, in die wir uns alle einpassen lassen müssen. Wie sollte es anders gehen?

Rüm Hart am Wind

Am nächsten Morgen werden die Leinen losgeworfen, nichts wird es mit Edam, Hoorn und Monnickendam, zurück nach Friesland geht die Reise, Kurs Nord. Auf die Idee sind wir nicht allein gekommen, es geht zu wie auf der deutschen A1 am Freitagnachmittag. Hunderte Yachties sind mit uns einer Meinung: bloß weg hier. Dabei geht es den allerwenigsten um eine konkrete Ansteckungsangst, sondern viel mehr um befürchtete Folgen wie eine Quarantäneanordnung. Eine Nacht in Enkhuizen wird man ja wohl noch verschweigen können, Kontrollen werden ja eh nicht durchgeführt …

Sonnengruß aus Makkum, fotografiert von Sigrid

Sigrid und ich sind da etwas anderer Meinung. Am Samstag schreibe ich eine Mail an das emsländische Gesundheitsamt, schildere unsere Situation und unseren ziemlich genau 20stündigen Aufenthalt in der Provinz Noord-Holland (hier: Enkhuizen) wahrheitsgemäß und bitte um Hinweise, wie wir uns bei unserer Rückkehr nach Hause zu verhalten haben. Am Sonntagvormittag (!) klingelt mein Handy, an der Strippe habe ich eine sehr freundliche Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes, die mir auf mein Mail antwortet und erstmal ein paar Fragen stellt. Ob wir Einheimische intensiver getroffen hätten, ob wir in örtlichen Restaurants gewesen seien? Bordpartys? Besuch auf anderen Booten? (Alles Nein!) Sind wir „sanitärisch“ tatsächlich autark? (Ja!) Ich biete an, dass ich die Kürze unseres Aufenthalts in Noord-Holland per Logbuch – immerhin ein Dokument – belegen könnte. Antwort: ist nicht nötig, ich glaube Ihnen das alles. Dann folgen noch ein paar Hinweise, z. B. für den Fall, dass doch noch Symptome auftreten, oder dass wir uns doch die nächsten 2 Wochen soziologisch etwas reseviert verhalten möchten. Eine Quarantäne wird jedenfalls nicht angeordnet.

Ich sag ja: Herbst!

Na also, eine so prompte und freundliche Reaktion der zuständigen Behörde verdient Erwähnung. Ich vermute sowieso, dass die dort reichlich zu tun haben und alles andere als Däumchen drehen. Na ja, wir werden noch ein paar Tage entspannt an Bord genießen. Ab kommenden Mittwoch wird das Wetter eindeutig schlechter werden – sagen die Fachpropheten. Dann geht’s nach Hause zurück. Es gibt dort ein paar Menschen, die wir vermissen und gern mal wiedersehen möchten – natürlich alles im Rahmen der auferlegten Zurückhaltung. Das machen wir seit Monaten nicht anders. Schräge Zeiten!

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