Darf ich vorstellen? Notre Dame:
Von Turku habe ich mich verabschiedet und liege in Nagu/Nauvo. Bei Regen komme ich vom Spaziergang zurück und finde den Platz neben mir mit einem wunderbaren alten Schlepper belegt. Notre Dame. Olli und Jotta heißen die beiden stolzen Besitzer, ich habe sie vor Tagen schon in Marienhamn bewundert, als sie souverän mit ihrem sicher nicht sehr wendigen Oldtimer in den engen Hafen kurvten. Das Wetter zwingt uns zu drei Tagen Nachbarschaft, und in dieser Zeit kommen wir uns näher, verstehen uns prächtig, haben viel zu erzählten. Am letzten Tag werde ich zur Schiffsbesichtigung eingeladen. Toll! Im Bug, vom Steuerhaus per steiler Leiter zugänglich, findet sich die Kombüse, mit uns Dreien ein bisschen verstopft. Die Zwei können hier stehen, ich nicht. Bordhund Miles hat damit überhaupt keine Probleme.
Ganz achtern, ganz unten die Schlafkammer samt Klo. Stehhöhe? Vergiss es! Stehhöhe gibt’s nur im Steuerstand (auch für mich) und im Motorraum. Der ist tatsächlich riesig. Klar, die Wuchtbrumme von Maschine muss ja auch reinpassen. Der Motorblock samt Getriebe und anderer Anhängsel ist gut und gern 2 m lang. Riesending. Hubraum übrigens unbekannt. Und jetzt kommt’s: PS? Ja, hat er auch – 35. In Worten: fünfunddreißig! Mehr nicht. Man sollte denken, dass dieses Urviech dann doch ein paar mehr hätte. Nix, der lebt vom Drehmoment, nicht von der Leistung. Und treibt achtern unterm Schiff soooo eine Schraube an – Olli bildet mit beiden Armen einen ansehnlichen Kreis. Muss man sich trotzdem mal vorstellen, mit 35 PS hat der Schiffe gezogen! Olli träumt von einer neuen Maschine, irgendwann wenn das Geld mal da ist. Die ist dann bei etwas mehr Leistung und gleichem Drehmoment nur noch halb so groß. Der Rest wird Sauna. Für einen Finnen unverzichtbar.
Schön ist auch diese Geschichte: Olli ist ehemaliger Navy-Offizier und zur Pension soll es eigentlich ein Ferienhaus in den Schären werden. Dann entdeckt er 2014 im Internet – natürlich gaaanz zufällig – diesen Schlepper, schickt seiner Jotta ein Foto und fragt: Ferienhaus oder Schlepper? Ihre spontane und treibende Antwort: Schlepper! Immer die Frauen …
Das Schiff liegt in Amsterdam, war dort Jahre lang im Einsatz. Hin, besichtigen, kaufen. Im Oktober überführt Olli den Schlepper über das Markermeer, Ijsselmeer, Prinzess Margriet Kanal über Groningen und Delfzijl in die Ems. Dampft über Papenburg und Lingen(!) in den Mittellandkanal und so weiter bis Travemünde. Dort wird Notre Dame als Deckslast verladen und nach Helsinki verschifft. In der Nähe leben die Beiden. Wir haben es rekonstruiert, Olli muss ungefähr zu gleichen Zeit unterwegs gewesen sein, als Sigrid und ich über die ähnliche Strecke Rüm Hart nach Papenburg geholt haben.
Und jetzt treffen wir uns hier in einem Schärenhafen, sitzen in einer heimeligen Stahlkombüse und trinken Rotwein. Am späten Abend verabschieden wir uns. Nachts ein letzter Schnack über den „Zaun“, und morgens um sechs legt die Notre Dame ab und tuckert sehr gemächlich nach Osten. Ein letztes Foto und heftiges Winken. Ob ich sie wiedersehen werde? Jotta und Olli träumen von einer neuen Tour durch Deutschland, Holland und Frankreich. Vielleicht über die Ems. Meine Einladung an zwei sehr unkomplizierte und nette Menschen steht.
Notre Dame: Baujahr 1933, Maschine ca. 50 Jahre alt, Lüa: 9 m, Büa: 2,80, Verdrängung: 15,5 to
Aktuelles: Bin mittlerweile wieder in Mariehamn auf den Ålands und warte auf passendes Wetter für den Sprung rüber nach Schweden.
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schickes Schiffchen…. von solchen verrückten Enthusiasten leben die alten Schiffe …..und das hoffentlich noch lange.
LG
C488