Turku – p.o.r.

Am Freitag (gestern) um 12 Uhr ist es soweit: ich erreiche Turku an der finnischen Westküste und damit den point of return meiner Reise. Rund 700 Seemeilen, also ca. 1.300 km Luftlinie bin ich von zuhause entfernt – sagt meine Navionics-App. Weiter weg wird es nicht mehr werden. Ich habe den östlichsten Punkt – und ich denke auch den nördlichsten – erreicht. Koordinaten, wer’s genau wissen will: 60°26,435′ N und 22°14,775′ E.

Wörtlich aus dem „literarischen“ Teil meines Logbuchs von gestern:

Bin da! In Turku! Und ein bisschen stolz bin ich auch. Ich denke, ich habe seglerisch, körperlich und mental im Rahmen meiner Möglichkeiten was geleistet. Am 85. Tag und nach exakt 1.200 Seemeilen habe ich ein über-Plan-Ziel erreicht und damit den point of return meiner Reise. Ab jetzt beginnt der Rückweg, ohne dass es sich nach Ende, Heimreise oder Finale anfühlt. Es ist aber – zugegeben – ein Gefühls-Mix. Und es macht ein kleines bisschen sentimental und melancholisch.

Der heutige Törn versöhnt ein bisschen mit den letzten beiden Tagen. Endlich kann ich wieder segeln und den Diesel abstellen. Hab zwar erheblich weniger Wind als vorhergesagt, aber ich ziehe es durch, die Segel bleiben oben, der Diesel aus. Bis vor die Stadt, bis fast in den Fluss Aura rein. Der Übergang von „Natur“ zu „Skyline“ ist plötztlich und macht ein bisschen euphorisch. Wohl auch vor dem p.o.r.-Hintergrund.

Erste Amtshandlung: Schatten herstellen!!!!!! Wenigstens eine kleine Ecke. Bin gar gekocht, fertig. Mittagsschlaf, Kaffee, mit dem Rad in die Stadt, Pizza und 1 großes Bier. Abends steppt hier eine ganze Bären-Kompanie. Hunderte von Wahnsinns-Motorbooten und -yachten defilieren hin und her und bringen den Fluss und mein Schiff in Wallung. Irre! Ungedämpfter V8-Sound aus offenen Rohren. Man mäßigt sich allerdings in der Geschwindigkeit, cruist demonstrativ cool und gelassen. Lässt statt dessen Sound, Boot, Body, Musik und Klamotten wirken. Auffallend sehr junge Menschen im Käppi-verkehrt-rum-Alter mit Riesenbooten aus dem sechs- und einige wenige sicher sogar aus dem siebenstelligen Eurobereich. DER finanzielle Hintergrund würde mich wirklich mal interessieren. Auf jeden Fall: große Show!

Ich beschließe nur 2 statt 3 Nächte zu bleiben.

Soweit wörtlich aus meinem Logbuch abgeschrieben. Mittlerweile habe ich mir auch Turku ein bisschen erradelt. Naja. Sagen wir mal so: keine sehr schöne Stadt, aber die auffallend vielen jungen Menschen machen was draus und das ist ansteckend. Leben in der Bude. Turku scheint mir – quadratisch, praktisch, gut – ein bisschen retortenmäßig angelegt worden zu sein. Die Bebauung trägt zum zweifellos vorhandenen Flair jedenfalls nicht bei. Die lange Promenade am Fluss, an der auch die Marine Auraport liegt, ist aber schön. Viele Restaurants, Kneipen, Eisbuden, teilweise schattige Ufer mit Liegewiesen und bei dem Wetter natürlich viele Menschen. Eine niedliche Fahrrad-Fähre und ihre ehemalige Kollegin, die zum hin und her fahrenden Restaurant umgebaut wurde. Nicht nur die beiden kommen sich regelmäßig sehr nahe, beinahe direkt vor meinem Liegeplatz. Sehr spannend! Flusskino pur.

Das Ergebnis: Turku ist nicht gerade eine leise Stadt. Hier tobt demonstrativ das Leben – und es tobt unüberhörbar. Vor ein oder zwei Uhr nachts ist an meinem Liegeplatz nicht an Schlaf zu denken. Macht aber nichts. Es ist sowieso hell.

Morgen früh beginnt meine Rückreise nach Westen. Drückt mir die Daumen.

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