Moin! Es gibt mich noch …
Sorry für die lange Pause – einige haben zu Recht nachgehakt, was denn los sei. Nun ja, Saisonende, der letzte Törn des Jahres, familieninterne Grippewelle und natürlich die Ereignisse vom 15. September, von denen ich im letzten Eintrag erzählt habe, sind zusammen genommen und in ihrer zeitlichen Konzentration schon geeignet, eine Schreibunlust herbeizuführen. So war’s – mit Betonung des grammatikalischen Imperfekt.
Nachträglich zu berichten ist von einem wunderschönen Wochenende. Einem langen wunderschönen Wochenende! Genauer: vom 3. Oktober-Feiertag, der in diesem Jahr ein Mittwoch war, bis zum darauf folgenden Sonntag. Manfred allein an Bord.
Mittwochmittag, als der Regen endlich nachgelassen hat, lege ich ab. Bei Starkwind aus Südwest erspare ich mir das Ijsselmeer und bleibe binnen in den friesischen Gewässern. Lemmer ist mein Ziel für heute, aber ich bin spät dran, denn jetzt, im Oktober, schließen die Brücken bereits um 19 Uhr. Bis Sloten ist das alles kein Problem, bis Heeg kann ich mit fast Rückenwind sogar prima segeln. Aber dann läuft mir die Zeit weg, nur mit ‚Hebel auf dem Tisch‘ schaffe ich es, mit der letzten Brückenöffnung in Lemmer einzulaufen. Und ergattere den einzigen noch freien Liegeplatz an der Pier direkt vor dem Yachtausrüster ‚Skipperland‘. Mein Lieblingsplatz. Belohnung: Bauerneintopf aus der Dose plus reingeschnippeltem Corned Beef. Lecker!
Das Ablegemanöver am nächsten Morgen ist meine Heldentat für heute. Da mich der Wind genau auf die Pier drückt, lege ich eine Manöverleine auf das Plattbodenschiff hinter mir und gebe Gas. Wunderbar – Rüm Hart legt fast ohne jede Ruderbewegung einen 180°-Törn hin, an dessen Ende ich nur noch die lange Leine losschnalzen muss. Das alles muss – für die B-Note – lässig und locker aussehen, denn ich habe Zuschauer. Zwei like-Daumen lassen mich am Ende physio-therapeutisch korrekt, nämlich kerzengerade, im Cockpit stehen. Aber sobald ich außer Sichtweise meiner neuen Fans bin, stehe ich wieder bequem. Und auf dem Teppich …
Ich habe mich mit Freund Klaus in Enkhuizen verabredet. Das fordert mir aber ein bisschen was ab. Genau dort, wo ich hin will, kommt der Wind her. Es bläst exakt aus Richtung Enkhuizen mit 5 Beaufort, in Böen auch deutlich mehr, zielgenau in die Lemmer-Bucht rein. Das heißt: Kreuzkurse. Kreuzkurse sind vor allem bei solchen Windstärken eher unkomfortabel zu segeln, weil der Kahn permanent auf der Backe liegt und das Leben an Bord im wahrsten Sinne des Wortes schräge Dimensionen annimmt. Ich bin so blöd, mir bei dieser Krängung (Schräglage) ne Cola aus dem Kühlschrank nehmen zu wollen. Was trotz vorsichtig geöffneter Kühlschranktür prompt dazu führt, dass mir selbiger seinen Inhalt kühl, aber mit Getöse vor die Füße rotzt. Zum Wiedereinräumen müsste ich eigentlich wenden, aber das Wetter ist untertemperiert genug, und so schiebe ich erstmal alles ins Bodenfach. Ich schildere das jetzt natürlich nur, damit Klaus sieht, welche unsäglichen Strapazen ich auf mich nehme, um ihn in Enkhuizen zu treffen.
Dafür belohnt er mich mit einer SMS und teilt mir mit, dass er schon da ist (Kunsstück, er musste aus Schokkerhaven ja auch nicht kreuzen, außerdem ist Klaus bekennender Frühaufsteher) und dass er mir einen Platz in seiner Nähe reserviert hat. Prima! Und endlich treffe ich Barney persönlich. Zwar kennen wir beide uns bereits aus dem Internet, genau wie Klaus und ich anfangs und wissen schon viel voneinander, aber persönlich halt noch nicht. Das ändert sich nach dem Anleger schlagartig. Barney schnuppert erst an meiner ausgestreckten Hand, offensichtlich bin ich ihm zumindest egal bis anfänglich sympathisch. Später darf ich ihn sogar hinter den Ohren kraulen. Als Bordhund ist Barney für Klaus‘ Sicherheit und Unterhaltung zuständig, und da kann ein bisschen Skepsis grundsätzlich nicht schaden.
Ja, und dann fängt es an zu unwettern. Sturm! Selbst im geschützten Hafen zeigt mein Windmesser in Masttophöhe ne Ecke über 30 Knoten (7 bis 8 Bft.) an. Unten, auf dem Steg sind’s natürlich weniger, aber trotzdem muss ich alle sieben Fender zwischen Boot und Steg quetschen, denn ich liege längsseits und kriege den Wind vierkant von der Seite. Draußen auf dem Ijsselmeer muss die Hölle los sein. Verschiedene Internet-Wetterportale berichten von 45, teilweise 50 Knoten Wind. Das beschert Klaus, Barney und mir 2 gemeinsame Hafentage, mit viel Lesen, Klönen, ein bisschen Basteln, einer lecker Fischspende von Carl und abends einem intensiven Besuch des ‚t Ankertje, der Segler-bekannten kleinen Kneipe in Enkhuizen. Da hat der Wind aber schon arg nachgelassen, und wir sind sicher, am nächsten Morgen auslaufen zu können.
Der Samstag entschädigt dann auch für alle Regen- und Sturmtage der kompletten Saison. Jedenfalls ab mittags und nach einer letzten Drückung für Klaus und Barney. Sonne und idealer Segelwind lassen mich zuhause bei Sigrid anrufen und Genehmigung für einen weiteren Tag einholen. Ich segele an Stavoren vorbei bis nach Makkum, liege noch einmal auf meinem Lieblingsplatz außen im Kanal und genieße den Abend mit rotem Sonnenuntergang.
Unglaublich schön ist der nächste Morgen, als ich mit dem ersten Sonnenlicht auf dem ijsselmeer bin und die Ruhe und die Einsamkeit als einziges Boot genieße. Zwischenstop in unserem ehemaligen Heimathafen Stavoren, volltanken, Fäkalientank entsorgen, Schnack mit dem Havenmeester und ab geht’s in die Schleuse. Am späten Mittag bin ich wieder in Warns am Heimatliegeplatz. Schade, die 1000-Seemeilen-Marke habe ich nicht geknackt. 80 fehlen noch. Aber ein paar Wochenenden sind’s ja noch bis zum Krantermin.
Gut, dass ich noch nicht weiß, dass Halsentzündung, Ohrenschmerzen und eine dreiwöchige Grippeperiode sowohl bei Siggi als auch bei mir was dagegen haben werden.