Drei Wochen in einem Stück auf dem Boot – neuer Rüm Hart Rekord. Es gibt also einiges zu erzählen, und Bilder sagen bekanntlich mehr als viele Worte. Daher habe ich von den schönsten ein kleines Album zusammengestellt, zu dem sich wer möchte HIER direkt hinklicken kann. Oder siehe auch „Fotoalbum Segelurlaub 2012“ links in der Linksammlung.
Der Urlaub ist vor allem eines: abwechslungsreich! Wechselnde Personen an Bord, sehr wechselhaftes Wetter (zumindest zu Beginn) und ständig – das bringt ein Segeltörn so mit sich – wechselnde Orte.
Fangen wir mit den Personen an. Das erste lange Urlaubswochenende beginnt für mich mit Ole, mit dem ich gleich drei Premieren habe: Bootsmannstuhl-Premiere, Unwetter-Premiere, Anker-Premiere. Das mit dem Bootsmannstuhl, in dem ich bequem sitzend, von Ole in den Mast hinaufgekurbelt werde, entsprang nicht etwa einem Reparaturbedarf, sondern männlichem Spieltrieb. Schießlich hat man so’n Ding in der Backskiste liegen, und dann will man es auch mal testen. Also sehe ich mir den Buyshaven von Enkhuizen von oben an und lasse mir von Ole versichern, dass es nur mäßig Kraft gekostet habe, mich da hoch zu winschen. Braver Junge! Zitat: „Das würde sogar Mama schaffen“. Beruhigend …
Ein bisschen beunruhigend ist hingegen die Unwetterfront, die uns auf dem Weg von Enkhuizen nach Lemmer verfolgt und den Himmel im Westen anthrazit „färbt“. Naja, eher eine monochrome Bedrohung, die sich da hinter uns aufbaut, und sie ist schneller als wir. Ole sieht es als Erster ein und drängt mich zum Handeln. Gott sei Dank, denn so haben wir gerade noch Zeit, den Motor anzuwerfen, das Großsegel anständig zu verpacken, alles Bewegliche zu verstauen und uns selbst ins Deckshaus zu verflüchtigen. Und dann – Vorteil Deckssalonyacht! – sehen wir uns das Schauspiel von drinnen an und lassen uns eine halbe Stunde lang durchschaukeln. Ein bisschen Dramatik kommt nur auf, als über Funk der Hilferuf einer deutschen Segelyacht zu hören ist, die mit zerrissenen Segeln und Wassereinbruch vor der Westküste in Notlage geraten ist. Zu weit weg, als dass wir Hilfe anbieten könnten.
Genauso flott wie sich der Himmel verdunkelt hat, kommt die Sonne wieder durch. Aber es liegt Spannung in der Luft. Und so bleibt es nicht bei diesem einem Gewitter. Es rauschen in der ersten Urlaubswoche noch mehrere auf gleicher Zugbahn durch.
Die erste Nacht vor Anker mit Rüm Hart verbringen Ole und ich in einem der friesländischen Binnenseen bei moderaten Bedingungen und fast vollem Mondlicht. Ich schlafe so tief und gut wie schon lange nicht mehr.
Zurück im Heimathafen in Stavoren muss Ole von Bord. Drei Tage habe ich jetzt Zeit, das Boot zu wienern und zu schrubben, bis Sigrid eintrudelt. Zuerst von innen, dann von außen. Detailliert und gründlich – eine Arbeit die mir Spaß macht. Mich aber auch anstrengt und mir Pausen aufzwingt. Egal, ich hab Zeit. Ich komme in meinen eigenen Trott und finde eine Balance zwischen Arbeit, Pausen, Musikhören und Überlegen, was als nächstes ansteht. Wunderbar und erfolgreich!
Erfolgreich? Was sag ich?! Meine Leistungen an Putzlappen und Poliertuch müssen formidabel(!) gewesen sein, denn Siggi – frisch aus Frankreich zurück – belohnt mich mit französischem Käse, Brot und Wein und folglich einem üppigem Abendbrot. Ganz nach meinem Geschmack.
Und weiter geht’s mit lieben Gästen an Bord, am nächsten Tag kommen Frauke und Sascha zu Besuch, denen wir einen Segeltörn zur Hochzeit geschenkt haben. Segelneulinge, aber mit sportlicher Einstellung und daher zu gebrauchen an Bord. Und: ein Gewinn für’s so wichtige Atmosphärische bei räumlicher Enge. Daher kann uns auch das erneute Kurz-Unwetter, das uns diesmal knapp vor Urk erwischt, nichts anhaben. Es soll das letzte sein auf unserem Urlaubstörn, und alles bleibt unter Kontrolle. Sicher auch eine Erfahrung für die beiden.
In Enkhuizen gehen sie von Bord und fahren mit der Linienfähre nach Stavoren zu ihrem Auto zurück. Der Abschied fällt ein bisschen schwer. Andererseits ist Rüm Hart ein eher kleines Schiff, und so hat es auch Vorteile, wenn die Crew sich schlagartig halbiert. Siggi und ich sind für die nächsten 10 Tage allein an Bord.
Und wir legen gleich richtig los! Die erste Macke im Schiff holen wir uns am nächsten Morgen in der Schleuse von Enkhuizen. Da wo ich denke, dass dort ein Fender hängt, hängt aber keiner, und rumms – beim Anlegen an der Schleusenwand macht sich zum ersten Mal so richtig unsere massive Scheuerleiste bezahlt. Und bewahrt uns in voller Selbstaufopferung vor einem ziemlichen GFK-Schaden. Die Narbe im Scheuerleistenholz ist ungleich harmloser. Das Schönste: auch die Crewstimmung – obwohl miteinander verheiratet – bleibt entspannt. Shit happens! Wir sind uns einig.
Diese Haltung ist für die Bewältigung der meteorologischen Entwicklung der nächsten 2 Tage ungemein hilfreich. Scheißwetter ist angesagt. Und Starkwind. Zumindest bis Edam, danach soll es besser werden. Edam entschädigt uns gleich dreifach. Netter Hafen, schönes Örtchen und Kaasmarkt! Käse bis zum Abwinken. Lecker! Wir bleiben 2 Tage.
Und leihen uns beim Hafenmeister für eine längere Tour zwei Fahrräder, weil wir unsere Falträder an Bord nur für Kurzstrecken-tauglich halten. Nach 100 Metern wissen wir auch, warum sie kostenlos sind. Sigrids Superbike lässt sich nicht schalten und meines nicht bremsen. Beides hat aber einen tieferen Sinn, denn damit ich nicht so schnell fahre, ist bei Sigrid der allererste Gang die Übersetzung der Wahl. Obwohl ja von ‚wählen‘ angesichts eines nicht vorhanden Schaltzuges keine Rede sein kann. So strampelt sie mit durchblutungsfördernden, affenartigen Umdrehungen vor mir her, während ihre Geschwindigkeit so gering bleibt, dass ich mich sehr auf einen, meiner nicht vorhandenen Bremsleistung angemessenen Sicherheitsabstand konzentrieren muss. Wir sind erleichtert, abends wieder unsere eigenen Räder für eine Tour ins Örtchen nutzen zu können. Was bei mir aber beinahe mit einem Abgang über den Lenker endet. Nach der ersten Reflexbremsung nämlich …
Beim Anflug auf Amsterdam, eigentlich das erklärte Ziel und der point of return unserer Reise, ergibt ein kurzes Gespräch, dass wir beide keinen Bock auf Großstadt haben. Kursänderung auf Muiden, ebenfalls am Südende des Markermeeres. Wir folgen den Empfehlungen des Hollandführers und landen in einem kleinen Hafen, direkt unterhalb der Burg von Muiden, die nächtens extra für uns angestrahlt wird. Guter Hafen, schön gelegen, sehr gute Sanitäranlagen, netter Hafenmeister.
Genau gegenüber werden Superyachten gebaut. Nein, keine Segelschiffe! Motoryachten von einer Art, die das Vorurteil nährt, dass ihr Entwicklungsetat nicht unbedingt zuerst für die Verbrauchsoptimierung ihrer Maschinen verwendet wurde. Eine Baureihe heißt ‚Pershing‘ – ausgerechnet! Ich kann mir kaum was Friedlicheres vorstellen als Schiffe, zumindest zivil betriebene. Und dann Pershing … ! In Military-Mattgrau. Passend, mag ich aber schon bei Autos nicht leiden.
Ab jetzt geht’s wieder nach Norden, und der Rest ist schnell erzählt. Zwei besonders erwähnenswerte Ereignisse des Rückweges greife ich heraus:
1. ein punktuelles, nämlich der Besuch von Insa und Klaus an Bord in Lelystad. Klaus habe ich durch die Segelei und den fachlichen Austausch in einem Seglerforum kennen gelernt und jetzt endlich auch seine Frau Insa. Zwei überaus nette Menschen. Bereichernd!
2. ein Zeitraum-Ereignis. Die Veränderung von Sigrid an Bord von ‚anfänglich doch ein bisschen angespannt‘ bis zum Schluss ‚gelassen und relaxed‘. Für sie sicher eine Herausforderung, die sie mit Bravour meistert. Mit dem Ergebnis, dass sie mittlerweile um die wenigen Wochenenden kämpft, die sie mit mir bis zum Saisonende noch an Bord verbringen kann.
Für die Statistik seien noch schnell die Stationen der gesamten Reise aufgezählt. Stavoren – Enkhuizen – Lemmer – De Oarden (Friesland, Ankerbucht) – Stavoren (bis hierher mit Ole). Bootspflegepause. Dann zu viert: Stavoren – Urk – Enkhuizen (Frauke u. Sascha gehen von Bord) – Hoorn – Edam – Muiden – Lelystad – Medemblik – Makkum – Andijk – Warns.
Warns? Ja, Warns! Warum Warns und nicht Stavoren? Davon später mehr, sonst wird’s wirklich zu lang.
Wer aber bis hierher durchgehalten hat, dem sei noch ein wunderbarer Substanzverlust berichtet. Nach 240 Seemeilen und 3 Wochen Segeln meldet die häusliche Badezimmerwaage einen Verlust von genau 1 % des Skippergewichts. Mir bleiben also noch weitere 23.760 Seemeilen, bis ich mich gänzlich weggesegelt habe. Allerdings arbeite ich im Moment ziemlich aussichtsreich an Gegenmaßnahmen für die seglerischen Pausen, die mir eine deutliche Verlängerung der oben mathematisch ermittelten Frist bis zur Totalauflösung verschaffen sollten.