Zurück von sehr ereignisreichen 2 Wochen möchte ich Rückblick halten auf das, was seit dem 4. August so alles passiert ist. Übernahme, Endausrüstung, Taufe und Jungfernfahrt. Aber der Reihe nach.
Am 9. August haben wir in Plön unser Schiff in Empfang genommen, uns mit einem Fingerfood-Buffet aus eigener, häuslicher Herstellung und den passenden Getränken bei allen Sirius-Mitarbeitern bedankt, bei den Handgriffen der letzten Sekunden zugeschaut und schließlich die Verladung unseres Bootes beobachtet. Ein anstrengender Tag.
Am nächsten Morgen um halb fünf raus aus der Waagerechten, rein ins Auto, den mit Ausrüstung überladenen Anhänger ankuppeln und ab nach Holland. Um sieben haben wir uns mit Urs von der Sirius-Werft und dem Trucker mit Rüm Hart auf dem Trailer am Kran von Stavoren verabredet. Stunden später der erhebende Moment, als unser Schiff zum ersten Mal die Kiele ins Wasser steckt. Noch am gleichen Tag wollen wir den Mast stellen, aber den Kranführern in Stavoren steht der Sinn eher nach Feierabend. Die offizielle Begründung ist allerdings zuviel Wind. Tatsächlich wird der Mast gleich am nächsten Morgen seiner senkrechten Bestimmung übergeben – bei noch mehr Wind. Der sollte auch bis Freitag nicht weniger werden, begleitet von teils heftigem Regen, also Aprilwetter. Die Endausrüstung und Übergabe des Schiffes erweist sich als ungeahnt komplexe Angelegenheit. Wir haben drei Tage lang alle Hände voll zu tun. Na ja, es sind eher Urs‘ Hände (Arbeit mach Spaß, stundenlang könnt ich zuschauen …), und ich bin gespannt, wie ich das Rigg im späten Herbst wieder gelegt kriege. Allein, ohne einen Urs mit seinem Geschick und Wissen.
Und dann am Freitagvormittag endlich der lang ersehnte allererste Probeschlag auf dem Ijsselmeer vor Stavoren. Nicht nur unter Segeln. Unter Motor wird der Autopilot kalibriert. Beobachter müssen einen merkwürdigen Eindruck haben, weil man dazu Kreise und Kringel in alle Richtungen fährt, damit der Kurscomputer alle 360 Grad des Erdkreises einzeln kennen lernt.
Ja, und was dann kam, war knapp am Nervenzusammenbruch in Tateinheit mit Herzinfarkt vorbei. Äußerst knapp! Bislang hat Rüm Hart an der Ausrüstungspier in Stavoren gelegen. Jetzt, nach dem ersten Probeschlag, ist es selbstverständlich mein Job, unser Boot in seine zukünftige Heimatbox zu fahren. Wendiges, übersichtliches Boot und direkte Pinnensteuerung kompensierten das Herzklopfen des Skippers anfangs erfolgreich. Boxengasse, Einlenken in die Box bei langsamer Fahrt, die berühmt-berüchtigte Zielsicherheit des Steuermanns versprach Erfolg. Ab hier muss allerdings zwischen Soll und Ist des weiteren Manöververlaufs unterschieden werden:
Soll: durch rechtzeitiges und gefühlvolles Einlegen des Rückwärtsgangs wird das Boot elegant abgebremst und kommt knapp aber deutlich VOR dem Steg zum Stehen. Während des Einparkens hat Bootsmann 1 (Urs) die Festmacherleine über den luvwärtigen Heckpoller gelegt und Bootsmann 2 (Ole) ist lässig vom Bug auf den Steg gestiegen, um sich in Ruhe um seine Vorleinen kümmern zu können.
Ist: Ok, das mit dem reichtzeitigen Einlegen des Rückwärtsgangs hat noch hingehauen. Allerdings wurde die Fuhre in unserem Fall alles andere als abgebremst, sondern beschleunigt. Unaufhaltsam beschleunigt. Der völlig verdadderte Skipper reagiert instinktiv – aber falsch. Er gibt noch mehr Rückwärst-Gas. Und beschleunigt, was drei Dieselzylinder herzugeben vermögen. Spätestens jetzt kann von Eleganz nicht mehr gesprochen werden. Bootsmann 1 ruft laut Scheiße und sprintet nach vorn. Das hätte er sich sparen können, denn er sollte gleich von selbst dort ankommen. Bootsmann 2 will vermeintlich reaktionsschnell auf den Steg springen, um mit Kilo-vollem Körpereinsatz der Dynamik von sieben Tonnen Schiff Einhalt zu gebieten. Das geht schief, weil erstens allein schon der Grundgedanke irrwitzig ist. Und weil zweitens der Steg auf den er springen will, schlicht nicht mehr da ist. Weggeschoben. Rüm Hart nagelt vor den Steg, Skipper und Bootsmann 1 haut’s von den Beinen, Bootsmann 2 verliert im Flug die Orientierung und überlässt sich willenlos der Schwerkraft. Mit dem nach vorn verschobenen Steg drängen die daran vertäuten Nachbarboote natürlich ruckartig in die gleiche Richtung, und die erstaunten Crews erwägen einen Ijsselmeer-Tsunami, weil es ihnen völlig unerwartet den Kaffee aus der Tasse schleudert.
Das Geschrei auf dem Steg, die lautmalerische Unterlegung der Szene erspare ich uns hier und beschränke mich auf das Wichtigste: 2 (in Worten: zwei) Zeugen, unter ihnen Urs, der Sirius-Spezi, haben gesehen, dass ich NICHT(!!!) Vorwärt- und Rückwärtsgang verwechselt habe, dass ich wirklich und tatsächlich voll rückwärts gegeben habe, wie man voller nicht rückwärts geben kann. Urs taucht ab in den Maschinenraum und kommt wenig später mit der Ursache wieder ans Tageslicht. Ein simpler Plastikclip, der – weil nicht eingeclipst – rechtzeitig beim Anlegen vom Schaltgestänge abgesprungen war. Dadurch hat die Maschine zwar „Stoff“ bekommen, das Getriebe aber nicht von vorwärts auf rückwärts geschaltet. Das Bremspedal wurde unvermittelt zum Gaspedal.
Das für mich Erstaunlichste dabei: kein Schaden am Boot selbst! Wir hatten viel Glück und sind mit dem Anker, der unter dem Bugspriet hängt, vor den Steg gedonnert. Der Anker ist angebrochen, am Boot ist absolut nichts zu finden. Nicht außen, nicht innen im Ankerkasten.
Jetzt weiß ich: dieses Schiff wurde für mich gebaut!
Schockschwerenot, mein Lieber. Da ist mir ja schon beim Lesen das herz stehen geblieben. Du läßst aber nicht aus, was einer guten Geschichte förderlich ist, auch diese Variante des Dramas sicherlich ungeplant war. Gut dass niemand zu schaden gekommen ist und auch Eurer Boot keinen Kratzer hatte. Ich nehme mal an, dass sich der Siriusmitarbeiter um einen eventuelle Schadensregulierung gekümmert hat. Dann will ich mal hoffen, dass diese Jungfernfahrt der dramatischte Augenblick im hoffentlich noch langen schadensfreinen Leben der Rüm Hart bleibt. Irgendwann später mutiert es mal zu einer guten Geschichte, die Dir noch viel spöter keiner mehr glaubt :).
Viel Glück euch allen mit dem Boot.
Gruß Klaus