Im letzten Beitrag über die Reitersegler habe ich eine Andeutung bezüglich der Getränkeverbräuche während unserer Törns gemacht. Das mag bei dem einen oder anderen ernsthaften Segler Strinrunzeln, vielleicht auch – je nach Gemütslage – Schmunzeln ausgelöst haben. Also wird es Zeit für eine Klarstellung. Gleich auch eine gute Gelegenheit, ein paar Spielregeln zu erläutern. Die gibt es nämlich durchaus an Bord, wie im richtigen Leben halt. Das Schöne ist, dass diese Regeln vom Skipper selbst festgelegt werden können, ja sogar müssen. Im Falle der Reitersegler also von mir.
An dieser Stelle mag ein Wort über die Rolle des Skippers an Bord hilfreich sein – manche Crewmitglieder nennen ihn auch Sklaventreiber, Godfather oder Brüllaffe, je nach Art seiner Amtsausübung. Der Inhalt seines Amtes lässt sich hingegen in einem Wort zusammenfassen: Verantwortung. Vor dem Gesetz ist der Skipper eines Sportbootes letztenendes für alles verantwortlich, was an Bord geschieht. Zunächst auch für das Verhalten seiner Crew, deren Sicherheit und die der anderen Verkehrsteilnehmer. Schon so mancher Freizeitkapitän hat sich nach einem Unfall vor einem Seeamtsgericht wiedergefunden und sich einer detaillierten und hochnotpeinlichen Befragung von ehemaligen Berufskapitänen stellen müssen. Das Ergebnis hat natürlich immer auch einen haftungsrechtlichen und damit finanziellen Aspekt. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der generellen Einsicht, dass die Seefahrt an sich immer auch ein Gefahrenpotenzial mit sich bringt, ist es verständlich, dass der verantwortungsbewusste Skipper ein paar Bordregeln formuliert.
Hier also ein paar Beispiele:
Alkohol gibt es ausschließlich abends, nach dem Segeltörn! Nie während des Segelns selbst. Ok, mit einer winzigen Ausnahme: der Maschine-aus-Sherry. Das ist eigentlich der schönste Augenblick, wenn zu Beginn des Törns, nach dem Ablegen und dem Passieren der Hafenausfahrt in freiem Gewässer die Segel gesetzt sind, der „Jockel“ ausgeschaltet werden kann und akkustische Ruhe an Bord einkehrt. Kein Motorenlärm mehr, nur noch Wind- und Wassergeräusche und der Steuermann hat den Kurs anliegen. Der richtige Anlass für eine (!) Runde Sherry, natürlich mit dem erforderlichen Opfer für Neptun, der den ersten Schluck bekommt. Diese Tradition hat sich aber nur noch bei den Reiterseglern gehalten. Meine Kinder mögen keinen Sherry, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass wir in Zukunft jeden Törn mit Rüm Hart mit einem lütten Andalusier beginnen.
Automatik-Schwimmwesten gibt es für jedes Crewmitglied an Bord. Tatsächlich angelegt werden sie spätestens auf Anweisung des Skippers. Das fängt bei mir so ab ca. 3-4 Windstärken an und hängt ansonsten stark von der Größe des Schiffes, dem Seegang, dem allgemeinen und dem zu erwarterenden Wetter und dem zu segelndem Kurs ab. Sobald ein Crewmitglied das schützende Cockpit verlassen muss, um nach vorn zum Mast oder aufs Vordeck zu gehen, gilt Schwimmwestenzwang bereits bei moderatesten Seegangs- und Windverhältnissen. Für Rüm Hart diskutieren wir derzeit strengere Schwimmwestenregeln.
Ein außerordentlich wichtiges Sicherheitsthema auf einem Segler ist es, das Überbordgehen unter allen Umständen zu verhindern. Es gehört schon eine riesige Portion Glück dazu, bei Windstärke 5 oder 6 und der dazugehörigen 2-Meterwelle eine über Bord gefallene Person nicht aus dem Auge zu verlieren, zu finden und wieder auffischen zu können. Was tagsüber vielleicht noch gelingt, ist nächtens quasi unmöglich. Deshalb gehört zu jeder Schwimmweste auch eine orangenfarbene Lifeline, mit der man sich an verschiedenen Stellen einpicken kann. Für den ab und an notwendigen Gang aufs Vorschiff habe ich lange Sicherheitsleinen gekauft, die vom Bug des Schiffes links und rechts am Mast vorbei bis nach achtern gespannt werden und in die sich derjenige, der nach vorn muss, mit seiner an der Schwimmweste befestigten Lifeline einpickt und sich wie an einer Laufleine gesichert bewegen kann. Ein sehr wirksames System – wenn es nur konsequent genutzt wird.
Andere Bordregeln haben weniger mit dem Verantwortungs- und Sicherheitsbewusstsein zu tun, sondern sind eher Verabredungen der Crewmitglieder untereinander. Zum Beispiel, dass der Koch von der unbeliebten Backschaft, also dem Beseitigen der kulinarischen Spuren, befreit ist und jetzt vor allem die Genießer seiner Kunst zum Zuge kommen. Oder auch dass unter Deck nicht geraucht wird, sondern höchstens an der frischen Luft im Cockpit. Wenn’s einem da nicht die Zigarette ausbläst.
In diesem Zusammenhang und so nebenbei sei schon mal verkündet, dass wir beschlossen haben, Rüm Hart komplett zur rauchfreien Zone zu erklären. Nur so lässt sich das maritime Vergnügen in seiner Vollkomenheit genießen – und unser Deck brandlochfrei erhalten. Schließlich ist für alle potenziellen Gäste jetzt noch Zeit genug, es sich abzugewöhnen. Anschließend werden sie uns ewig dankbar sein und Rüm Hart und seinen Skipper in ihr Abendgebet einschließen.
zum thema ’schwimmweste‘ sag ich nur, vorsichtig sein das man nich mal ausversehen mit dem aufblase bemsel irgendwo haengen bleibt 🙂
och … das trägt doch so schön zur Erheiterung der Crew bei
:-))
Moin Manfred, ich hab vor ein paar Tagen Deinen Blog entdeckt und ihn inzwischen komplett durchgelesen. Die Sirius hat mir schon immer gefallen und jetzt Erfahrungen aus erster Hand zu bekommen ist schon sehr interessant. Auch dass Du hier auf die Sicherheitsaspekte eingehst finde ich sehr gut. Neulich hab ich mal ein Video gesehen (ich kann es jetzt leider nicht wiederfinden) wo eine Altherrencrew mit einer Yacht eine Patenthalse gebaut hat. Unglaublich. Die Yacht hat sich voll auf die Seite gelegt und Wassermassen gingen durch das Cockpit. Ob einer über Bord gegangen ist konnte man nicht sehen, aber es ist bestimmt besser eingepickt zu sein.
Was ich jetzt schreibe soll keine Kritik sein und ich hoffe es klingt nicht zu Oberlehrerhaft. Aber viele Leute wissen es auch einfach nicht: Auf dem Bild oben ist Ole am Achterstag eingepickt. Wenn sich die Yacht jetzt auf die Seite legt, z.B. in der Patenthalse, dann ist das Metall auf Metall. Und das rutscht. Der eingepickte Steuermann geht dann wie auf einer Seilbahn Richtung Masttopp, der auf der Wasseroberfläche liegt. Und wenn sich das Boot wieder aufrichtet, geht es zurück. Nur jetzt nicht wagerecht, sondern von ganz oben nach ganz unten. Und das kann tüchtig weh tun. In der Broschüre „Sicherheit auf dem Wasser“ vom Bundesverkehrsministerium sind geeignete Einpickpunkte auf einer Yacht beschrieben. Ich sach Dir, das Achterstag gehört nicht dazu 🙂
Am besten sind wohl Decksaugen im Cockpit. Auch die Laufleinen sind eher was für die Psyche als für die Sicherheit. Nimm mal einen Fender, pick die eine Seite von der Sicherheitsleine da ein und die andere Seite in die Laufleine. Dann wirf den Fender bei Fahrt beim Bug über Bord. So wie ein Mensch ins Wasser fallen würde. Was passiert? Der Fender wandert zum Heck hin. (Ein schwerer Mensch wandert schneller) Dabei knallt der Fender schon ein paar mal an die Bordwand, was der Kopf des Menschen auch tun würde. Hinten kommt der Fender genau da zu stehen, wo das Heck in den Wellen so richtig schön rauf und runter geht. Besonders wenn das Boot aufgestoppt wird. Das stehende Boot tanzt und knallt dem Menschen noch ein paar mal auf den Kopf. Der kann sich wegen der Schwimmweste nicht wehren. Und den jetzt auf die Badeplattform kriegen wird auch nicht leicht, denn dazu ist die Sicherheitsleine die inzwischen über den Heckkorb hängt wieder zu kurz und man bekommt sie nicht ums Achterstag rum. Da kommt dann Dein neues Messer ins Spiel, aber da besteht wieder die Gefahr den Menschen zu verlieren.
Ich glaube, die Laufleine müsste in der Mitte des Bootes gespannt sein und die Sicherheitsleinen dürfen nur so lang sein, dass sie von dort aus nicht über das Boot hinaus reichen. Man muss sich dann vielleicht öfter umpicken, weil es ja am Mast vorbei geht usw., aber ich glaube das sollte man in Kauf nehmen. Vielleicht können die Leute von der Zeitschrift „Segeln“ ja mal einen Test machen was die Laufleinen nützen. Bin gespannt was rauskommt 🙂
So, genug geschnackt, ich wünsche Euch eine schöne Saison mit Eurem tollen Boot, viele Grüße, Alexander (alias Käpten Sailnator)